Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
Vom Netzwerk:
Wasser glitzerte. In London hatte er den weiten dänischen Himmel vermisst, und nun sah er oft in stiller Freude zu ihm auf, oder er verhielt den Schritt und blickte zum Horizont.
    Die traute Zweisamkeit der Nachmittage in der Orchard Street erschien ihm immer unwirklicher, eine Episode in seinem Leben, die aus dem Nichts gekommen war und ihn nirgendwohin geführt hatte, ihn dort zurückgelassen hatte, wo er angefangen hatte. Es war erstaunlich, wie er sich plötzlich in dieser ruhigen, stillschweigenden Partnerschaft wieder gefunden hatte, erstaunlich, wie viel er empfunden hatte und dass er bereit gewesen war, seine Gefühle preiszugeben. Er dachte oft an sie. Bisweilen, wenn er mit einer schwierigen Aufgabe befasst war, kam ihm ein Wort oder ein Satz von ihr in den Sinn, und er hielt lächelnd inne.
    »Mit den Käfern verhält es sich so«, hatte sie ihn einmal geneckt, »dass es, auch wenn man sich bei ihrem Studium noch so langweilt, doch nie an neuen Exemplaren mangeln wird, die man betrachten kann.« Noch viele Jahre nach seiner Rückkehr lehnte er sich am Ende eines langen Arbeitstages manchmal zurück und wandte sich feierlich seinen Studenten zu. »Meine Herren«, sagte er, »trösten wir uns, was die Käfer anbelangt, immerhin mit der einen großen Gewissheit.«
    »Mit welcher Gewissheit?«, fragten sie dann, und ihr sonst so ernster Mentor überraschte sie mit einem Lächeln und wiederholte ihre Worte. Einen Lidschlag lang war er dann wieder in London, und eine schlanke junge Frau stand malend vor ihm.
    Banks hatte ihm großzügig Zugang zu seiner Sammlung gewährt, und deren Studium während jenes Sommers hatte Fabricius viel zu bearbeiten und zu denken gegeben. Jetzt aber war er Banks gegenüber befangen, als wären seine Besuche in der Orchard Street ein unentdeckter Treuebruch gewesen. Vielleicht deshalb schrieb er Banks erst im November jenes Jahres, und auch dann musste er den Brief mehrmals überarbeiten. »Meine besten Empfehlungen und Wünsche in die Orchard Street«, schrieb er. »Ist es ein Junge, wird er stark und gescheit werden wie sein Vater, ist es ein Mädchen, wird sie vornehm und hübsch werden wie ihre Mutter.«
    Banks’ Antwort war knapp. Er sei Vater einer Tochter, Mutter und Kind seien wohlauf.
    Als Banks ihm das nächste Mal schrieb, war es Februar, und Schneewolken zogen tief und schwer an Dänemarks Himmel dahin. In dem Brief stand nichts über die Orchard Street, nichts über Geliebte oder Kind. Fabricius stellte diskrete Nachforschungen an und erfuhr, dass Banks von seiner Geliebten verlassen worden war. Miss Brown und ihre Tochter waren verschwunden.
     
    Im Januar 1774, vier Monate nach der Geburt ihrer Tochter, ging sie eines Tages im nahe gelegenen Park spazieren. Es war kalt, und der Boden war fest gefroren, doch Martha begleitete sie, und trotz der Kälte waren die beiden behaglich ins Gespräch vertieft. Plötzlich rief jemand ihren Namen. Ihren richtigen Namen. Noch nie, seit sie Revesby verlassen hatte und John Ponsonbys Geliebte geworden war, hatte jemand sie mit diesem Namen angesprochen. Sie hatte ihn für ein Geheimnis gehalten, das sie gehütet hatte, weil sie nur so den Ruf ihres Vaters schützen zu können glaubte. Umso heftiger erschrak sie, als sie die Stimme vernahm.
    »Miss Burnett, wenn ich mich nicht irre.« Es war eine Männerstimme, und das »Miss« wurde so betont ausgesprochen, dass sie sich abrupt umdrehte.
    Erst erkannte sie ihn nicht in seinem schweren Wintermantel, doch dann dachte sie an Madeira und sah ihn wieder vor sich, wie er sie im Kerzenschein anlachte.
    »Mr. Maddox«, erwiderte sie mechanisch; der Schreck machte sie unvorsichtig.
    »Sie erinnern sich also an mich?« Er lächelte sein träges, selbstsicheres Lächeln. »Dabei bin ich ganz anders angezogen als bei unserer letzten Begegnung, wenn ich mich recht erinnere. Doch ich muss sagen, das gilt auch für Sie.«
    Sie errötete und dachte plötzlich daran, wie klar seine Stimme klang und dass Leute in Hörweite waren.
    »Burnett ist nur der Name, unter dem ich gereist bin«, sagte sie leise. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen...«
    Er hielt mühelos mit ihr Schritt. »Solche Eile ist wenig schmeichelhaft. Es gab Zeiten, da waren Sie nicht so scheu. Es wäre doch ganz falsch, unsere Bekanntschaft so kurz nach ihrer Erneuerung schon wieder zu beenden, Miss Burnett. Zumal unter so veränderten Umständen. Und wie Sie sehen, bleibt mir nichts anderes übrig, als Sie bei diesem Namen

Weitere Kostenlose Bücher