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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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Bescheid zu sagen, dass ich plötzlich hätte wegmüssen, mein Zimmer aber die nächsten Tage auf jeden Fall noch behalten würde. Dann ging sie nach oben und klopfte an Andersons Tür.
    Die vergangenen vierundzwanzig Stunden waren für Anderson nicht die besten gewesen. Er hatte sich damit abfinden müssen, dass seine Recherchen ergebnislos verlaufen waren, dass der Ulieta-Vogel nicht mit dem Inventar des Old Manor in Ainsby versteigert worden war. Infolgedessen, das wusste er, würde es keinen schnellen Sieg, keine Abkürzung zu dem Vogel oder den Bildern geben, nicht einmal eine Garantie, dass sie noch existierten. Als Katya in Lincoln eintraf, packten er und Gabriella bereits die Koffer. Sein weltmännischer Charme bröckelte.
    Das änderte sich jedoch, als er die Tür öffnete und Katya vor ihm stand.
    »Wie viel zahlen Sie für den Vogel?«, fragte sie.
     
    Eine halbe Stunde später traf sie Potts in der Bar an.
    »Ah, seien Sie gegrüßt«, strahlte er und sprang auf. »Sie und Mr. Fitzgerald sind ja heute Morgen sehr früh aufgebrochen. Ich habe Sie schon gesucht.«
    »Tja, da bin ich«, sagte Katya vergnügt lächelnd.
    »Und Mr. Fitzgerald? Ist er auch da?«
    »Er wurde aufgehalten. Wahrscheinlich kommt er später zurück.«
    »Verstehe. Von wo zurück, wüsste ich gern.«
    »Das müssen Sie ihn selbst fragen.«
    »Sie wissen es nicht?«
    »Ich habe ihm versprochen, es niemandem zu sagen.«
    »Verstehe. Dann habe ich ja den ganzen Abend Zeit, Sie umzustimmen.«
    Katya zog die Brauen hoch und setzte eine geheimnisvolle Miene auf. »Und noch etwas sag ich nicht, das hab ich ihm auch versprochen.«
    »Es hat wohl wenig Sinn, Sie trotzdem zu fragen, oder?«
    »Das kommt drauf an.« Sie musterte ihn einen Moment. »Würden Sie mehr für den Ulieta-Vogel zahlen als Karl Anderson?«
     
    In dieser Nacht gelang es mir, ein paar Stunden Schlaf zu finden. Es waren die ersten seit vierzig Stunden, und ich hatte sie bitter nötig. Der folgende Tag würde lang und schwierig werden. Ich wusste nicht, wie er enden würde.
    Er begann um sechs Uhr früh. Um sieben war ich aus dem Haus, unterwegs Richtung Westen, nach Bristol. Es war ein strahlender Morgen, doch jenseits des Londoner Ballungsraums lag Raureif auf den Feldern, und die Äste der kahlen Bäume waren weiß. Die Sonne schien von einem tiefblauen Himmel - ein guter Tag zum Autofahren -, und meine Müdigkeit verflüchtigte sich. Als ich die letzten Ausläufer der Stadt hinter mir hatte, spürte ich tief in meinem Innern eine freudige Erregung. Ich wusste, was ich tat und wohin mein Weg führte. Als ich an das Gesicht auf dem Foto dachte, konnte ich zurücklächeln.
    Das Glück war mir hold an diesem Tag, doch das hätte mich nicht zu wundern brauchen - die meisten Entdeckungen sind Glücksfälle. Das passt vielen Leuten nicht, sie möchten, dass sich Entdeckungen etwas Bedeutenderem als dem Zufall verdanken. Aber sie irren sich. Was zählt, ist die Entdeckung selbst. Und wenn je etwas bewiesen hat, wie wichtig Glück ist, dann war es die Entdeckung des afrikanischen Pfaus.
    Während sich mein Großvater zu Fuß durch den heißen Urwald des Kongo kämpfte, weilte der amerikanische Naturforscher James Chapin wieder einmal in Belgien und besuchte dort wie immer das alte Kolonialmuseum in Tervueren. Es ist ein prächtiges Gebäude, der belgische Rivale von Versailles, und es beherbergt eine erstaunliche Zahl von Artefakten und ein Sammelsurium anderer Objekte, die über die Jahre ihren Weg von Belgisch-Kongo hierher fanden. Zwanzig Jahre waren vergangen, seit Chapin die einzelne Feder gefunden hatte, und er wird kaum noch an sie gedacht haben. Doch als er sich einige der weniger markanten Ausstellungsstücke ansah, fiel sein Blick auf zwei in einem Winkel versteckte ausgestopfte Vögel. Sie sahen aus, als hätte sich seit vielen Jahren niemand mehr für sie interessiert. Beides waren indische Pfauen, Jungvögel, wie es auf dem Schild hieß, doch Chapin sah auf den ersten Blick, dass es sich nicht um junge Tiere handelte; die Sporen des Hahns etwa waren dick vom Alter. Was immer sie sein mochten: Jungvögel waren es nicht. Sie sahen zwar aus wie Pfauen, aber nicht wie die Pfauen, die Chapin kannte.
    Nachforschungen ergaben, dass die beiden Vögel dem Museum zusammen mit anderen Objekten von einer Handelsgesellschaft in Belgisch-Kongo gestiftet worden waren. Chapin recherchierte weiter und ermittelte ihren exakten Fundort im Kongo. Ausgerüstet mit dieser Information,

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