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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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organisierte er eine neue Reise nach Afrika. Es war kein allzu schwieriges Unterfangen; schließlich wusste er genau, wo er suchen musste. Binnen weniger Wochen sammelte er über ein Dutzend lebender Exemplare des Kongopfaus, des einzigen Vogels seiner Art in ganz Afrika.
    Ja, so war das. Während sich mein Großvater verzweifelt einen Weg ins Herz des Kongo freischlug, wurden im verstaubten Regal eines belgischen Museums die ersten afrikanischen Pfauen gefunden. Sie waren die ganze Zeit über dort gewesen.
     
    An diesem Tag legte ich in dem rostigen zitronengelben Auto viele Kilometer zurück und bat um mehr Gefallen, als ich auch nur annähernd verdiente. Ich kam in geduckte viktorianische Vororte und in Dörfer mit raureifüberzogenen Dorfwiesen und eisgeränderten Weihern. Ich traf mich mit einem Mann in einem Wettbüro und mit einem anderen in einem geräumigen Grafschaftspfarrhaus. Einige boten mir materielle Unterstützung an, andere hatten nicht mehr zu geben als eine Auskunft darüber, wie man im achtzehnten Jahrhundert einen Vogel präpariert hatte und in was für einem Zustand er heute sein würde, oder eine Empfehlung, welche Vorsichtsmaßnahmen ich ergreifen und welche Chemikalien ich verwenden musste, wenn ich ihn mitnehmen wollte. Ich hörte mir alles an, und als es keine Spenden mehr zu sammeln gab und ich auch nichts Neues mehr erfahren würde, kehrte ich nach Hause zurück.
    Erst gegen zehn kam ich in London an, aber ich war nicht müde, sondern im Gegenteil hellwach und voll rastloser Energie. Ich hätte versuchen sollen zu schlafen, um am nächsten Morgen fit zu sein, doch die Zeit war so knapp, dass es mir absurd erschien, an Schlaf auch nur zu denken. Stattdessen kramte ich die Schlüssel hervor und schloss meine Werkstatt auf. Im gleißenden Licht der Lampe über meiner Werkbank ließ ich mich von meinen Händen führen, bis die Rastlosigkeit in meinem Gehirn der grimmigen Konzentration des Präparators wich. Je länger ich arbeitete, desto ruhiger wurde ich, und desto deutlicher zeichnete sich mein Weg vor mir ab. Es würde klappen.
    Ich arbeitete bis tief in die Nacht, und als ich mein Werk am nächsten Tag betrachtete, fand ich, es sei das Beste, das ich je gemacht hatte.
    Danach ging alles glatt. Später fuhr ich wieder nach Lincoln.
     
     
    Ihr Kind kam früh zur Welt, strampelnd und hustend, in der staubigen Hitze der letzten Augusttage. Es war eine schwere Geburt, und vier Wochen lang war sie zu schwach, um das Haus zu verlassen, zu erschöpft, um ihre Pläne weiterzuverfolgen. Sie stillte ihr Kind und schleppte sich durch die langen, stickigen Tage, in denen der Gestank der Londoner Straßen gegen ihre Fenster anzubranden schien, durch mühselige, schlaflose Nächte.
    Banks war knapp drei Wochen vor der Geburt seiner Tochter aus Wales zurückgekehrt. Bei seiner Ankunft fand er die Wohnung in der Orchard Street verändert vor. Die Malsachen waren weggeräumt, und dort, wo ihre ersten vier Madeira-Bilder gehangen hatten, waren die Wände kahl. Als einzige ihrer Arbeiten war noch die Studie brauner Eichenblätter und Eicheln zu sehen, die sie in ihren ersten Monaten in Richmond angefertigt hatte. Trotz seiner Schlichtheit war es ihr Lieblingsbild: das erste, das sie gerahmt, das erste, das sie in der Orchard Street aufgehängt hatte.
    »Ich habe die Madeira-Bilder weggeräumt«, erklärte sie. »Es schien mir richtig, sie beisammen zu lassen, und ich möchte nicht von ihnen abgelenkt werden. Du würdest doch nicht wollen, dass ich unser Kind vernachlässige und mich mit Konturen und Schattierungen befasse?« Er pflichtete ihr bei, doch ihre Worte stimmten ihn traurig, und die Räume erschienen ihm ohne die Bilder trüb und leer. Auch nicht das neue Leben, auch nicht der Lärm, den es mit sich brachte, schien ihm die Räume so zu erfüllen, wie sie früher erfüllt gewesen waren. Vielleicht deshalb berührte ihn sein Kind nicht in dem Maße, wie er es erwartet hatte. Die leichte Distanziertheit, die sich zwischen Vater und Mutter eingeschlichen hatte, stellte sich auch zwischen Vater und Tochter ein. Er wollte von Herzen ihr Bestes, aber es war, als würde ihn der Knoten der Unsicherheit, der sich in seinem Innern geschürzt hatte, daran hindern, sie zu lieben. Er war ein Mann, dem es am leichtesten fiel zu lieben, wenn er selbst geliebt wurde, und dies war für ihn eine Zeit des Zweifels. Sie nannten sie Sophia, nach seiner Schwester.
    Sie kam wieder zu Kräften, und wenn er sie mit dem

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