Die Pflanzenmalerin
weil ich nach etwas außerordentlich Seltenem suche. Nach etwas, das möglicherweise gar nicht mehr existiert. Gabriella meint, Sie könnten mir dabei helfen. Sie sind ja bekanntlich eine Autorität auf dem Gebiet ausgestorbener Vögel.« Sein Blick verweilte einen Moment auf meinem Gesicht. »Was wissen Sie über diesen Vogel von den Gesellschaftsinseln, den man den Rätselhaften Vogel von Ulieta nennt?«
»Nicht viel«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Eine ziemlich kuriose Bezeichnung, fand ich immer.«
Wieder dieser eindringlich forschende Blick.
»So kurios vielleicht auch wieder nicht.« Er lehnte sich zurück und rieb sich mit den Fingerspitzen über den Nacken. »Unterhalten wir uns doch ein bisschen darüber.«
Er senkte den Arm und ließ seine Fingerspitzen nun weich auf der Tischkante ruhen. Wieder kreuzten sich unsere Blicke.
»Der seltenste Vogel, der je beschrieben wurde, Mr. Fitzgerald. Nur ein einziges Mal gesichtet, 1774, auf Kapitän Cooks zweiter Expedition. Bei einem Routinesammelgang auf einer Südseeinsel mit dem damaligen Namen Ulieta. Ein einziges eingefangenes Exemplar einer noch nie gesehenen Spezies. Von Johann Forster präpariert und nach England gebracht. Kein Vogel dieser Art wurde je wieder gefunden, weder auf Ulieta noch irgendwo sonst. Ausgestorben, bevor er richtig entdeckt wurde.«
Er verstummte, senkte den Blick auf den Tisch, strich mit dem Finger nachdenklich über einen Tropfen und formte daraus ein X.
»Das alles dürfte Ihnen nicht neu sein, Mr. Fitzgerald. Nach seiner Rückkehr hat Johann Forster den präparierten Vogel verschenkt. Das einzige Exemplar. Das einzige je aufgefundene Exemplar. Wie selten es ist, konnte er damals natürlich nicht wissen. Genauso wenig wie der junge Mann, dem er es schenkte, der Naturforscher Joseph Banks.«
Wieder sah er zu mir auf, und jetzt lag eine Erregung in seinem Blick, die vorher nicht da gewesen war.
»Ja, Mr. Fitzgerald. Es ist zweihundert Jahre her, dass dieses einzige Exemplar aus Banks’ Sammlung verschwunden ist. Niemand weiß, wo es geblieben ist. Es wird Zeit, dass es wieder auftaucht, finde ich - Sie nicht auch?«
Später erkannte er, dass Entdeckung keine Wissenschaft ist. In diesem Sommer verlief seine Reise nach Revesby langsam und mühselig, doch trotz der großen Hitze dachte er an die Südsee. Die Endeavour stand kurz vor dem Auslaufen, und seine Gedanken wanderten immer wieder zu der bevorstehenden Reise. Nach und nach aber, Meile um Meile, holten ihn die Formen und Schatten seiner Heimat zurück. Auf den letzten Meilen begann sein Herz ein wenig schneller zu schlagen, und seine Augen hielten nach dem alten Haus seiner Familie Ausschau.
Endlich tauchte es auf, es erwartete ihn schon, öffnete weit die Arme, als wollte es einen verlorenen Sohn empfangen. Erst schienen die lehmfarbenen Mauern ganz verwaist vor den Bäumen zu stehen, doch beim Geräusch der Kutsche strömten die Menschen heraus: vertraute, freundliche Gesichter, in deren Willkommensgrüßen schon der Abschied mitschwang. In den folgenden Tagen war seine Reise Gegenstand jeglicher Unterhaltung, und keiner ließ es sich nehmen, bereits voll Zuversicht von seiner Rückkehr zu sprechen. Revesby schien gleichermaßen stolz und besorgt zu sein. Der Abend war erfüllt von Tanz und Lichtern. Herren klopften ihm auf den Rücken, die Gesichter gerötet von Musik und Wein, wünschten ihm Glück und stellten fest, wie hochgestimmt er sei. Das war er auch. Er fühlte sich stark und lebendig, erzählte von großen Entdeckungen, und wenn die Musik spielte, tanzte er ausgelassen. Die Töchter der Herren nahm er nur flüchtig wahr; leuchtender Satin, zarte Hände und immer auch ein Flüstern in seinem Rücken, aufgeregt spekulierend. Tagsüber, wenn das Haus in der Hitze döste, ließ er die Gespräche hinter sich und wanderte hinaus in die Kühle der Wälder.
Er wusste, dass sie dort war, im Wald, noch ehe er sie sah. Erst war sie nur eine Bewegung, ein Stück entfernt, als huschte ein Reh aus seinem Augenwinkel davon. Später fand er zerbrochene Zweige und Gras, das eine Mulde auspolsterte. Und dann, an einem strahlenden Tag, sah er sie vor dem Hintergrund der Bäume, am Rand einer Wiese, zu weit entfernt, als dass er ihr Gesicht hätte erkennen können. Leichtfüßig und geschmeidig schritt sie durchs hohe Gras, glitt zwischen Sonne und Schatten hin und her, gleich einem weißen Faden, der die Bäume an die Wiese nähte.
Später erkundigte er
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