Die Pflanzenmalerin
jederzeit hingehen und sie sich ansehen.
Als Anderson geendet hatte, war es in der Rosebery Bar noch genauso voll wie zuvor, aber die Atmosphäre hatte sich verändert. Die Gäste, die dort nach der Arbeit etwas tranken und dann zu ihrem Zug eilten, waren gegangen und hatten anderen Platz gemacht, die sich für den Abend entspannten. Irgendwo spielte unsichtbar ein Pianist, und dazu passend hatte man an der Bar das Licht gedämpft. Anzugjacken hingen über Couchlehnen, Krawatten waren gelockert worden, Beine in schwarzen Strumpfhosen aus den Schuhen geschlüpft und dezent abgewinkelt auf den roten Ledersofas platziert.
Ich leerte langsam mein Glas und sah erst Gabriella und dann Anderson an. Beide beobachteten mich, doch wenn sie auf eine Reaktion gewartet hatten, so war eine hochgezogene Braue alles, was sie zu sehen bekamen. Ich kann nicht leugnen, dass mich eine leise kribbelnde Erregung erfasst hatte, als ich Andersons Geschichte hörte - aber ich war auch irritiert. Wer sich für ausgestorbene Vögel interessierte, wusste, dass das einzige jemals bekannt gewordene Exemplar des Ulieta-Vogels im achtzehnten Jahrhundert verschwunden war. Vielleicht wurde sogar darüber gewitzelt, dass es doch noch irgendwo aufzustöbern sei, wie ein verschollener Botticelli auf einem Dachboden, aber niemand glaubte ernstlich, es könne noch existieren. Die Taxidermie steckte damals noch in den Kinderschuhen, und Vögel waren bekanntlich schwer zu präparieren. Die Bestandslisten der Museen sind voll von Objekten aus dem achtzehnten Jahrhundert, die nach etwa siebzig oder achtzig Jahren schlicht zerfielen. Jede Sammlung hat ihren Schwund. Der Ulieta-Vogel war nur einer von tausenden, die es nicht schafften.
»Sagen Sie, Anderson«, fragte ich, »wieso entschließt sich ein Mann wie Sie plötzlich, nach so etwas zu suchen?«
»Vielleicht aus Enthusiasmus.«
»Das glaube ich Ihnen nicht. Sie sind Geschäftsmann. Sie suchen Dinge auf Provisionsbasis, für Leute, die sich nur dann über etwas freuen können, wenn sie es besitzen. Überreste von Dinosauriern gegen Cash, gefährdete Arten auf Bestellung, so etwas in der Art. Weshalb sollten Sie Zeit darauf verwenden, etwas aufzuspüren, das wahrscheinlich vor zweihundert Jahren zu Staub zerfallen ist?«
Er lächelte in sich hinein, ein stilles, selbstsicheres Lächeln.
»Vielleicht existiert es ja noch. Es gibt so alte Exemplare.«
»Aber nur ganz wenige. Wie viele? Ein Dutzend vielleicht. Schwer vorzustellen, dass der Vogel eines davon ist. Joseph Banks war der herausragendste Wissenschaftler seiner Generation. Er hat nicht einfach seltene Vögel verloren. Wenn dieser eine irgendwann vom Radarschirm verschwunden ist, dann deshalb, weil er sich aufgelöst hat. Gäbe es ihn noch, dann wäre das irgendwo vermerkt. Irgendjemand hätte in den letzten zweihundert Jahren bestimmt einmal verlauten lassen, dass er den seltensten Vogel der Welt besitzt.«
Anderson hatte den Blick des Obers eingefangen, und wir bekamen neue Drinks.
»Sie mögen ja Recht haben, Mr. Fitzgerald. Trotzdem beabsichtige ich ihn zu finden. Der Finderlohn wäre... beträchtlich.«
»So?« Das erschien mir unwahrscheinlich. »Wer interessiert sich denn heute noch für ausgestopfte Vögel? Ja, sicher, es wäre ein Geniestreich, das will ich nicht leugnen, die Fachwelt wäre begeistert. Aber die Museen haben kein Geld.«
»Traurig, aber wahr, Mr. Fitzgerald. Allerdings sind die Museen nicht der Markt, an den ich dachte.«
Anderson nahm einen Schluck und lehnte sich dann zurück, als sei alles zu dem Thema gesagt. Weitere Erklärungen blieben Gabriella überlassen.
»Hast du schon mal von dem Arche-Projekt gehört, Fitz?«
Einen Moment lang dachte ich, sie meine irgendetwas aus unserer Vergangenheit, und ich musste den Regenwald wegzwinkern, der vor meinen Augen aufblitzte. Doch ihr Ton und ihr Blick verrieten, dass ihre Gedanken fest in der Gegenwart verankert waren. Anderson hatte die Beine ausgestreckt und ergriff wieder das Wort.
»Die Gen-Arche, um es genau zu sagen. Sie wurde in Kanada von Ted Staest ins Leben gerufen. Kennen Sie Ted Staest?«
Nur vage. Ein Kanadier. Ein Mann, der für seinen Reichtum berühmt war. Ich musste passen.
»Ted Staest besitzt eines der großen nordamerikanischen Pharmaunternehmen, das seine Produkte in die ganze Welt exportiert, Sie kennen das ja. Staests Generalthema ist neuerdings die DNS. Das Arche-Projekt ist im Grunde seine private DNS-Bank, Mr. Fitzgerald. Er sammelt
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