Die Pflanzenmalerin
genetisches Material von seltenen, aussterbenden Arten und bewahrt es auf. Die Idee ist, in rares Erbgut zu investieren, so wie Sie oder ich in Kunstgegenstände oder Antiquitäten investieren würden. Staest setzt auf potenzielle Wertsteigerungen.«
Gabriella spürte meinen Hohn.
»Im Ernst, Fitz. Es klingt verrückt, ich weiß, aber alle Welt ist neuerdings auf der Jagd nach genetischen Codes. Die Pharmaunternehmen wissen selbst nicht, was davon zu halten ist, aber keiner will, dass die anderen die Nase vorn haben, und deshalb geben sie jetzt das Geld aus und stellen die Fragen später. Das Interesse der Öffentlichkeit halten sie mit Sensationsberichten über die Neuzüchtung ausgestorbener Arten und dergleichen wach. Aber worum es ihnen geht, das sind die Möglichkeiten des Bio-Engineering.«
Die Rosebery Bar begann seltsam fremd zu wirken. Die Menge der Gäste hatte sich ein wenig gelichtet, der Pianist unter prasselndem Applaus eine Pause eingelegt. Ich sah mich um, wer noch da war - Leute zwischen zwanzig und dreißig, mit Getränken, die ich mir nicht leisten konnte, in einer Welt, für die ich keine Zeit hatte.
»Aber der Ulieta-Vogel wäre zweihundert Jahre alt. Er wäre nichts weiter als ein vertrocknetes Ding. So etwas kann doch unmöglich Material von irgendwelchem Wert liefern, oder?«
Gabriella und Anderson sahen sich an. Anderson zuckte die Schultern.
»Wer weiß? Die Techniken werden ständig weiterentwickelt. Und offen gestanden, Mr. Fitzgerald, glaube ich nicht, dass das Ted Staest groß kümmert. Er ist ein Mann, der weiß, was Publicity wert ist, und er ist ziemlich fasziniert von der Sache mit diesem verschwundenen Vogel, dem seltensten Vogel aller Zeiten. ›Der Rätselhafte Vogel von Ulieta‹ - das gäbe gute Schlagzeilen, meinen Sie nicht? Wenn ein solches Exemplar auftauchen würde, käme das Arche-Projekt in die Nachrichten. Der seltenste Vogel der Welt, patentiert von Ted Staest.«
»Und er bezahlt Sie dafür, dass Sie ihn finden?«
»Er bezahlt mich dafür, dass ich ihn als Erster finde. So etwas lässt sich nicht unter Verschluss halten. Wo ein Markt ist, gibt es immer auch andere, die abkassieren wollen.«
»Okay.« Ich versuchte, das alles unter einen Hut zu bringen. »Ein reicher Kanadier möchte eine nicht existierende Vogelart finden, weil er meint, das treibt seinen Aktienkurs in die Höhe. Das ist verrückt, aber so ungefähr läuft’s. Was ich allerdings nicht verstehe: Warum erzählen Sie mir das alles?«
Wieder sah Anderson mich prüfend an. Die Antwort gab Gabriella.
»Karl wird nicht der Einzige bleiben, der Kontakt mit dir aufnimmt, Fitz. Deine Arbeiten über ausgestorbene Vögel sind bekannt. Die Leute werden Informationen von dir haben wollen.«
Anderson nickte.
»Vor fünfzehn Jahren, Mr. Fitzgerald, waren Ihre Forschungen jedem, der auf dem Gebiet gearbeitet hat, bekannt. Man weiß, dass Sie sich Museen und Sammlungen überall auf der Welt angesehen haben, Sammlungen, die niemand sonst je richtig studiert hat. Sie haben Landkarten gesammelt, Zeichnungen, Bestandslisten, Briefe - alles in Ihrer berühmten Holztruhe. Wir alle haben darauf gewartet, dass Sie publizieren würden, aber Sie haben es nicht getan. Wenn jemand über Informationen verfügt, die zum Ulieta-Vogel führen könnten, dann Sie.«
»Sie meinen also, ich könnte Ihnen bei der Suche helfen?«
»Sie haben Beziehungen. Sie wissen, welche Leute Gerüchte aufgeschnappt haben könnten. Es wäre Ihnen sicher möglich, ein paar Telefonate zu führen und zu hören, ob Sie etwas herausbekommen.«
»Und wenn ich nichts herausbekomme?«
Er wirkte nicht weiter beunruhigt und nahm gelassen einen Schluck von seinem Drink.
»Um ehrlich zu sein, Mr. Fitzgerald: Ich habe bereits einen Anhaltspunkt, aber ich dachte, Sie könnten daran interessiert sein, mit mir zusammenzuarbeiten. Und wenn das die Sache beschleunigt und erleichtert, umso besser.«
»Und wieso nehmen Sie an, ich könnte ein Interesse daran haben, nach dem Vogel zu suchen?«
Er schwieg einen Moment und sah mir gerade in die Augen.
»Weil Sie noch nie einen Fund wie den Ulieta-Vogel gemacht haben, Mr. Fitzgerald. Die ganzen Jahre haben Sie Exemplare ausgestorbener Vögel gesucht, aber so einen haben Sie nie gefunden. Sicher, Sie haben einige seltene Objekte aufgespürt, aber nie ein Exemplar eines spurlos verschwundenen Vogels. Und das einzige je bekannt gewordene Exemplar eines Vogels zu finden, der nur ein einziges Mal gesichtet
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