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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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Humors in seinem Gesicht. Und der Intelligenz. Man sieht, wie interessiert er war. Die Sorte Mann, die ein Mädchen mögen könnte.« Während wir ihn musterten und er unsere Blicke erwiderte, erkannte ich, dass sie Recht hatte. Es handelte sich um ein Gemälde von Reynolds, und der Maler hatte eine Aura von Jugendlichkeit, Selbstbewusstsein und Vitalität auf die Leinwand gebannt, die durch die Farbe hindurchschimmerte. Schwer vorstellbar, dass man sich in Gesellschaft dieses Mannes je langweilen konnte. Leicht vorstellbar, wie er gelebt und geliebt hatte. Unsere Schultern berührten sich, während wir vor ihm standen und ihn betrachteten, dann kamen wir mit einem wortlosen Nicken überein weiterzugehen. Auf dem Weg die Haupttreppe hinunter holte ich unser Porträt hervor, die Fotokopie, die Potts mir gegeben hatte. Das Bild hatte nichts von Reynolds’ Opulenz - ein schlichtes Frauengesicht, nicht weiter bemerkenswert, anonym. Doch wie bei Banks zog auch hier das Lächeln die Aufmerksamkeit auf sich und erinnerte den Betrachter daran, dass auch diese Frau einmal ein lebendiger Mensch gewesen war.
    Am Nachmittag gingen wir in die British Library, arbeiteten uns durch alle Porträtbücher, die wir entdecken konnten, und sahen uns die Gesichter der georgianischen Gesellschaft an, in der Hoffnung, auf einem von ihnen dieses kaum merkliche, scheue Lächeln wiederzufinden. Es war eine geisttötende Beschäftigung, und die tiefe Stille in der Bibliothek begann auf uns zu lasten. Ich weiß nicht, wie viele Frauen wir an diesem Tag betrachteten; etliche hundert allein schon in den Miniaturenbüchern. Gegen Abend waren wir fix und fertig. Ein paar Verdächtige, die eine entfernte Ähnlichkeit mit unserem Bild aufwiesen, hatten wir zutage gefördert, aber bei keiner reichte die Ähnlichkeit aus, um unsere Stimmung zu heben. Unsere Gedanken wandten sich dem Essen zu, und an diesem Abend kochte ich für Katya in der wohligen Wärme meiner Küche. Wir zündeten eine Kerze an, tranken kaltes Bier aus der Flasche und unterhielten uns bis tief in die Nacht über Sex und Politik in den 1780er Jahren. Irgendwann lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück und lächelte.
    »Was ist?«, fragte ich. »Was ist so lustig?«
    »Wir. Komm, wir trinken noch ein Bier.«
     
    Am nächsten Tag gingen wir wieder in die Bibliothek. Gegen elf hatten wir die Porträtbücher durch und kehrten zu den Biografien zurück. Nach den Banks-Biografien nahmen wir uns Biografien von Banks’ Freunden und Kollegen vor - alles, was Bilder hatte, war uns recht. Katya ackerte den Stapel schneller durch als ich und gelangte schließlich zu einem verführerisch dicken Buch mit abgegriffenem Ledereinband.
    » Town & Country Magazine , 1774 und 1775«, flüsterte ich. »Irgendwo da drin steht der Klatsch über Banks und seine Geliebte. Wir sollten mal nachsehen.« Katya zuckte die Schultern, und wir kehrten zu unserer Plackerei zurück.
    Es dauerte eine Weile, bis ich merkte, dass Katya nicht mehr weiterblätterte. Ich blickte auf. Sie saß ganz still über das Buch gebeugt. Ihr dunkles Haar fiel nach vorn, und ihre Augen waren voller Staunen.
    »Ich hab sie gefunden«, sagte sie leise.
    Ich stand auf und ging um den Tisch herum, um zu sehen, was sie entdeckt hatte. Sie hatte Recht, das sah ich sofort. Es war ein körniger kleiner Druck, die Sorte Illustration, wie sie damals für die Billigpresse hergestellt wurde. Es gab keinerlei Garantie einer exakten Ähnlichkeit des Bildes mit der Person, die es darzustellen vorgab, aber es war eindeutig das Original der verschmierten Fotokopie, die vor uns lag, eindeutig das Bild, das Hans Michaels einst abgezeichnet hatte.
    »Seine Geliebte«, sagte Katya fast unhörbar. »Miss B. Die aus den Archiven verschwunden ist.«
    Zwei Tage lang hatte ich mir Frauen angesehen - nichts sagende, hübsche, frische, strahlende. Viele von ihnen wären in einem Raum voller Leute sofort aufgefallen, doch die Attraktivität dieser Frau war von anderer Art. Ihr Gesicht war unbedeutend, fast gewöhnlich, aber die Augen nahmen den Betrachter gefangen. Hätte man in dem Raum voller Leute genug gehabt von dem Lärm und den gesellschaftlichen Plattheiten, wäre sie vielleicht diejenige gewesen, an die man sich gehalten hätte.
    »Endlich haben wir sie.« Ich legte meine Hand auf Katyas Schulter. »Hans Michaels’ Porträt, der Schlüssel zu dem Vogel. Aber sag mal: Nachdem wir das nun geschafft haben - was zum Teufel machen wir als

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