Die Pflanzenmalerin
mir das Herz, Sie hier zu sehen. Irgendwann wird Ihr Vater Sie nicht mehr schützen können, und was dann?«
Sie schwieg noch immer, und plötzlich veränderte sich sein Ton.
»Wer weiß? Vielleicht stimmt es ja, was die Leute sagen. Vielleicht wissen Sie ja bereits, wie ein anziehendes junges Mädchen ohne Geld seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Würde ich an der Schale Ihrer Reserviertheit kratzen, vielleicht kämen darunter einige dieser natürlichen Leidenschaften zum Vorschein. Ja? Ist das nicht die Wahrheit?« Seine Hand schloss sich fester um ihren Arm, und er zog sie noch näher zu sich heran. Sie aber stand mit abgewandtem Blick reglos da, zeigte keine Reaktion. Da ließ er sie leise seufzend los und trat einen Schritt zurück. Beherrschter fuhr er fort:
»Ich bitte Sie inständig, verschwenden Sie nicht Ihre Tugend an irgendeinen Dorfjungen, irgendeinen Bauerntölpel. Sie sind zu gut dafür, das müssen Sie mir glauben.«
Er trat ans Fenster und sah auf den Weg hinaus. Sie regte sich auch jetzt nicht, und ihre Augen zeichneten sinnlose Muster auf den Dielen zu ihren Füßen nach.
Stille trat zwischen ihnen ein, und als er sich wieder zu ihr umwandte, war seine Stimme seltsam weich. »Sollten Sie eines Tages nicht mehr wissen, wohin Sie sich wenden können, dann kommen Sie zu mir. Ich werde Sie von hier fortbringen, Ihnen die Bücher und Kleider geben, die Sie hier nicht bekommen. Sie brauchen eine Welt jenseits dieses Ortes.«
Sie antwortete nicht, tat durch nichts kund, dass sie verstanden hatte.
»So wie Sie meine Worte aufnehmen, klingen sie wie eine Drohung. Doch das lag nicht in meiner Absicht. Seien Sie versichert, dass ich Sie zu nichts zwingen werde. Ich werde nicht mehr auf dieses Gespräch zurückkommen, es sei denn, Sie wünschen es. Aber Sie sollen wissen, dass es einen Menschen gibt, der Ihren Wert zu schätzen weiß. Sollten Sie je in Not geraten, bitte ich Sie, sich an mich zu wenden.«
Sie geleitete ihn nicht zur Tür. Sie blieb stehen, wo sie war, gedankenleer, bis das Licht schwand, bis sie ihren Vater nach Hause kommen hörte und gezwungen war, zu sich selbst zurückzukehren.
Sie unterbrach ihre Erzählung, und es wurde still auf dem kleinen Kirchhof. Statt einer Antwort erhob sich Banks und tat einige langsame Schritte zur Ecke der Kirche hin. Einen Moment blieb er dort stehen, und sie wartete, beobachtete ihn. Dann wandte er sich wieder um und sah sie an, und sie erwiderte seinen Blick aus klaren, furchtlosen Augen. In der Stille des Sommerabends vor ihr stehend, wusste Banks, dass er sprechen musste, aber die Worte wollten sich nicht einstellen. Schmerz und Zorn wallten in ihm auf und verschlossen ihm den Mund.
»All die Wochen in Revesby - wie blind ich war!«, sagte er schließlich. »Ich hätte sehen müssen, hätte etwas tun müssen...«
Ihr Kopfschütteln unterbrach ihn. »Nein, bitte sagen Sie das nicht. Diese Tage im Wald... Alles andere schien damals bedeutungslos. Nur meine Zeichnungen und die Pflanzen um uns herum gab es noch. Diese Tage haben mir mehr geschenkt, als Sie ermessen können. Sie haben mir gezeigt, dass es stets Dinge geben wird, die mein sind.«
Und wie sie so auf dem kühlen Stein saß und darauf wartete, dass er weitersprechen würde, erkannte sie ihren Irrtum. Er war es, der Trost brauchte. Er, der um die ganze Welt gereist war, fühlte sich verloren, mühte sich zu verstehen. Sie selbst, die nirgendwo gewesen war, wusste so viel mehr. Da erhob sie sich, trat zu ihm und streckte die Hand aus.
»Es wird ein wenig kühler. Wenn Sie noch bleiben können, lassen Sie uns ein paar Schritte gehen, während wir uns unterhalten.«
Er blickte ihr entgegen, und wieder wollten die Worte nicht über seine Lippen. Als sie vor ihm stand, überließ er ihr seinen Arm, und sie führte ihn langsam um die stille Kirche herum.
Im Gehen erzählte sie ihre Geschichte zu Ende. Ponsonby hatte Wort gehalten. Nach jenem Besuch schien er die wachsende Distanz zwischen ihnen zu akzeptieren. Er kam seltener und meist nur noch auf Einladung ihres Vaters. Die Debatten der beiden Männer drehten sich stets um Geld, und immer blieb ihr Vater erregt und besorgt zurück. Er trank nun jeden Abend, allein in seiner Studierstube, und bald begann sie, um seine Gesundheit zu bangen. Oft fand sie ihn bewusstlos an seinem Schreibtisch, unregelmäßig atmend, seine Papiere mit Brandy befleckt. Am Tag war sein Gesicht gerötet, sein Gang unsicher, und er wurde immer
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