Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
Vom Netzwerk:
vergesslicher. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Die Wochen vergingen, sie musste zusehen, wie er langsam zugrunde ging, und der Schmerz ihrer Liebe zu ihm wurde heftiger. Um seinetwillen hätte sie jedes Leid auf sich genommen, doch er verlangte, dass sie sich abseits hielt, während er den Untergang heraufbeschwor. Und so blieb sie für sich und versuchte, ihm zu geben, was er verlangte, denn sie wusste, dass das Vergessen seine Schmerzen linderte. Als sie es eines Tages nicht mehr ertrug, wählte sie die falschen Worte und den falschen Moment.
    Einige Tage schon war er reizbar und ruhelos gewesen. Eines Nachmittags schrieb er eine Notiz und verließ eilig das Haus. Sie wusste, wohin er ging, sagte aber nichts. Am Abend kam Mr. Ponsonby und hielt sich eine Stunde bei ihm auf. Als er wieder gegangen war, trat ihr Vater aus dem Studierzimmer. Er wirkte geradezu euphorisch.
    »Dieser Ponsonby mag ja ein guter Kerl sein, aber er ist ein Narr«, erklärte er. »Er ist bereit, mir eine beträchtliche Summe auf den Verkauf bestimmter Bücher aus meiner Bibliothek vorzustrecken. Oh, ich bezweifle nicht den Wert der Bände. Das Geld ist ihm sicher. Doch was die Zinsen angeht, zeigt er sich unnötig zurückhaltend. Er möchte einen Nachbarn nicht ausnutzen, sagt er. Und somit ist er zweifellos ein Narr.«
    Bei seinen Worten schnürte es ihr das Herz zusammen. Am meisten schmerzte sie seine Blindheit. Ehe sie sich’s versah, war ihr die Antwort entschlüpft:
    »Mr. Ponsonby weiß seine Zinsen zweifellos in einer anderen Währung gesichert.«
    Es war eine hässliche Szene. Ihr Vater tobte, und sie versuchte vergeblich, ihre Worte auf andere Weise zu erklären, als sie gemeint waren. Sie hatte sie nun einmal ausgesprochen, und ihr Vater war unerbittlich. Er setzte ihr zu, presste ihr die Wahrheit tropfenweise ab, mochte sie ihn auch noch so sehr anflehen, ihr nicht zu glauben. Nachdem er alles erfahren hatte, richtete er seine Schmähungen gegen den Nachbarn und wiederholte jedes Wort, das zwischen ihnen gefallen war, sah in jedem Lächeln Verrat, schäumte vor Zorn bei jeder Erwähnung seines Namens. Eine ganze Stunde ließ er sich nicht beruhigen. Sie schwor, die Unwahrheit gesagt zu haben, beteuerte, ihr Verdacht entspringe kindlicher Fantasie, pries Ponsonby für hundert Eigenschaften, an die sie nie gedacht hatte, und weinte ein wenig über den Zorn ihres Vaters. Endlich wurde er ruhiger.
    »Lass mich allein«, sagte er schließlich. »Du hast mir viel Stoff zum Nachdenken gegeben.« Als er sich in sein Studierzimmer zurückzog, wagte sie schon zu hoffen, ihre Tränen könnten ein Gutes haben, ihr Vater könnte sich zumindest überlegen, ob er weiterhin Geld zu leihen gedachte.
    Sie hörte ihn nicht weggehen. Dass er nicht da war, merkte sie erst, als sie sich anschickte, zu Bett zu gehen. Auf ihr Klopfen an seiner Tür erfolgte keine Antwort, und da sie fürchtete, er könnte sich in den Schlaf getrunken haben, trat sie ein. Brandygeruch hing im Raum, und auf dem Schreibtisch lag der Anfang einer Notiz, die nur ihren Namen enthielt. Drei Stunden später brachten die Männer ihn ins Haus und trugen ihn nach oben.
     
    »Es war meine Schuld«, sagte sie und lehnte sich ein wenig schwerer auf Banks’ Arm. »Wenn man sich daran gewöhnt hat, bleibt nur noch wenig, was wehzutun vermag.«
    Eine Weile gingen sie schweigend dahin. Die Sonne wärmte noch, die Schatten aber waren länger geworden und ließen sie erschaudern. Nie hätte sie geglaubt, dass sie ihm all dies eines Tages erzählen, dass sie an seinem Arm gehen würde. Und dieser Augenblick, obgleich er doch so hoffnungslos zu sein schien, machte sie zugleich glücklich. Doch nun war sie bei einem Teil ihrer Erzählung angelangt, der nicht mehr zu umgehen war. Sie wartete, dass er etwas sagen, sie auffordern würde weiterzusprechen. Um das Erschauern zu ersticken, hielt sie sich sehr gerade.
    »Und deshalb …«, begann er verlegen, »als Ihr Vater starb …«
    »Ja«, sagte sie nur und wartete, bis sich der Sinn des Wortes offenbarte. »Ich konnte sonst nirgendwohin.«
    Er schwieg von neuem. In seinem Kopf drehte sich alles, widerstreitende Stimmen forderten ihn auf, noch mehr zu fragen, nichts mehr zu fragen, zu sprechen, zu schweigen.
    »Und?« Er wandte den Blick ab.
    »Es war kein Geld für das Begräbnis da, also kam er dafür auf. Alles, was ich mein glaubte, gehörte in Wahrheit ihm.«
    »Dann hat er Sie …?«
    Sie hielt ihn am Arm zurück, und sie

Weitere Kostenlose Bücher