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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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als sie an Bord ging, erschien ihr wie eine bewusste Provokation, und sie konnte eine Welle der Panik gerade noch unterdrücken. Erst als sie sah, wie dieselben Männer einen großen Bogen um eine Frau machten, begann sie zu begreifen.
    Nur das Getriebe des Aufbruchs, so ihre Überzeugung, bewahrte sie vor Entdeckung. Niemand auf der Robin hatte Zeit für sie, niemand beachtete sie. Sie konnte sich in ihre Kabine flüchten wie ein Kaninchen in seinen Bau, und dort blieb sie dann. Ihr Herz raste, und ihre Panik wurde zu Verzweiflung und Niedergeschlagenheit. Der Schock bewirkte eine Art Lähmung, und sie verkroch sich volle acht Stunden in ihrem Refugium, ignorierte die Rufe zum Essen und fuhr jedes Mal zusammen, wenn sich draußen Schritte näherten. Sie wollte nur noch in Ruhe gelassen werden und wünschte, die Reise, nach der es sie so sehr verlangt hatte, wäre schon vorüber. Sie sehnte sich nach festem Land.
    Als Gefangene in ihrer Kabine sah sie nichts vom Auslaufen des Schiffes, aber sie spürte und hörte es, und sie wusste, dass es kein Entrinnen gab. Bei diesem Gedanken hätte sie am liebsten geweint. Die Geräusche des Schiffes waren ihr vollkommen fremd. Selbst die Sprache, die hier gesprochen wurde, war unvertraut und bedrohlich. In dieser ersten Nacht lag sie lange schlaflos; die Planken ächzten und knarrten, und auf die Rufe der Männer antworteten andere Rufe, deren Ton und Bedeutung sie ebenso wenig verstand. Noch in Kleidern, leicht zusammengekrümmt unter einer Decke, schlief sie schließlich ein. Ihre letzte Empfindung war der sehnliche Wunsch, er möge kommen.
    Als sie erwachte, schien mit dem Schiff etwas nicht zu stimmen. Es ächzte und stöhnte, und die Planken kreischten unter dem Ansturm der See. Die hölzernen Wände ihrer Kabine neigten sich gefährlich, verharrten und schwankten dann so plötzlich zurück, dass ihr übel wurde. Wieder stieg Panik in ihr auf, und im nächsten Moment war sie auf den Füßen, gerade als die Kabine von neuem kippte, schneller und tiefer als zuvor. Diese neue Angst genügte, um sie aus ihrem Bau zu treiben. Auf die Angstschreie der Besatzung gefasst, öffnete sie die Tür gerade so weit, dass sie hinausspähen konnte, aber niemand schrie oder rannte, und man vernahm nur das Knarren des Schiffes. Sie schlüpfte hinaus, wagte sich ein wenig weiter vor und traf auf einen Jungen, der einen riesigen Eimer schleppte. Leise fragte sie ihn, was mit dem Schiff sei.
    »Noch nie auf See gewesen, was?« Er grinste überlegen. »Sie sind der Dritte, der mich das in der letzten halben Stunde gefragt hat. Aber der Seegang hier ist noch gar nichts. Nur eine leichte Brise im Kanal. Wird garantiert noch schlimmer.«
    Weniger durch die düstere Prophezeiung als vielmehr durch seine Gelassenheit beruhigt, griff sie in eine unvertraute Tasche, gab ihm eine Münze und fragte ihn, ob er ihr wohl etwas zu essen bringen könne. Beim Anblick des Geldstücks ließ er um ein Haar den Eimer fallen und versprach ihr nicht nur etwas zu essen, sondern auch seine Dienste für die gesamte Dauer der Reise.
    »Ich werde die meiste Zeit in meiner Kabine bleiben«, sagte sie.
    »Das machen viele, Sir, aber wenn der Wind stärker wird, werden Sie vielleicht ein bisschen frische Luft schnappen wollen.<
    Seine erste wie auch seine zweite Vorhersage trafen schon bald ein. Es war ihr dritter Tag auf See. Sie hatte die Finsternis des ersten Abends hinter sich gelassen und empfand, wenn auch nicht Zuversicht, so doch ein wenig Stolz auf das Erreichte. Sie war unerkannt bis hierher gelangt, sie hatte einen willigen Diener, der sie mit dem Nötigen versorgte, und allmählich fühlte sie sich in ihrem Aufzug wohler, auch deshalb, weil sie noch nichts davon abgelegt hatte. Doch als die Robin in rauere Gewässer kam, erwachte wieder ihre Angst vor einer bevorstehenden Katastrophe. Diesmal gelang es ihr, die Panik zu unterdrücken, doch an deren Stelle trat ein dumpfes Rumoren in ihrer Magengrube. Nachdem sie einige Minuten darüber nachgesonnen hatte, sprang sie auf, ergriff ihren Umhang und wankte hinaus. Ihre Reise hatte wirklich und wahrhaftig begonnen.
     
    Die Tage, bevor die Resolution in See stach, waren mit die schlimmsten, die Banks je erlebt hatte. Es war ein ständiges, abruptes Auf und Ab: Bei Tage raste die Zeit, und es verlangte ihn dringend nach Ruhe, bei Nacht schlich sie dahin, während er bis zum Morgen hin und her schritt, zu angespannt und zu enttäuscht, um schlafen zu können. Er gab

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