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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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auf und sah ähnlich betroffene Passagiere an der Reling stehen, doch dann rebellierte ihr Magen von neuem, sie achtete nicht mehr auf die anderen und beugte sich wieder vor.
    Nach zwanzig Minuten war sie durchgefroren und durchnässt, fühlte sich aber ein wenig besser. Das Licht am Himmel wurde zu Schwarz, und das Schiff schien weniger zu schlingern. Als sie in ihre Kabine zurückkehrte, um sich zu waschen und umzuziehen, merkte sie, dass sie den Wind im Gesicht vermisste, und schon nach wenigen Minuten ging sie wieder an Deck. Niemand war mehr zu sehen. Sie trat von der Luke weg und sah sich um. Es hatte aufgehört zu regnen, und der Sturm legte sich. Der Wind auf ihrer Haut war kalt, aber frisch, und sie fühlte sich besser. Mehr noch: Sie fühlte sich wohl. Und glücklich. Ja, sie war glücklich dort auf dem leeren, kalten Deck. Hinter ihr begann die Morgendämmerung den Himmel neu zu färben. Sie zog den trockenen Umhang eng um sich und lächelte ein Willkommen. Sie hatte die Nacht überstanden. In wenig mehr als einer Woche würde sie in Madeira sein.

14
    Methode
    Bei den meisten erfolgreichen Expeditionen ist auch Glück im Spiel, und auf der Busfahrt zurück ins Zentrum von Lincoln fragte ich mich, ob mein Glückstreffer nicht Bert Fox war. Wenn ja, dann gab es immer noch die schreckliche Möglichkeit, dass dieser Glücksfall etwas spät eingetreten war. Was, wenn man es recht bedachte, nicht überrascht hätte - ein Gefühl, das meinem Großvater bekannt vorgekommen wäre.
    Weshalb Myerson bereit war, an den afrikanischen Pfau zu glauben, obwohl niemand sonst es tat, weiß man nicht, aber er war offenbar willens, eine beträchtliche Summe Geldes in eine Expedition in den Kongo zu investieren. Was immer er sich dabei gedacht haben mochte - es veränderte das Leben meines Großvaters, und er gewann die Energie zurück, die er nach seiner langen Krankheit eingebüßt zu haben schien. Da Myersons Angebot die Kosten nicht ganz deckte, machte er sich mit einer an Verzweiflung grenzenden Entschlossenheit daran, den Rest des Geldes zusammenzubringen. Nachdem er eine Hypothek auf sein Haus aufgenommen und das Erbe seiner Frau beliehen hatte, konnte die Expedition starten.
    Irgendwann um diese Zeit und möglicherweise auf der Woge seiner neu erwachten Euphorie fuhr er nach Devon, und als er in See stach, war seine Frau schwanger. Man weiß nicht, ob er darüber im Bilde war. Man weiß nicht, ob das viel geändert hätte. Aus den meisten zeitgenössischen Berichten geht jedoch ziemlich eindeutig hervor, dass er nicht in der besten Verfassung für die Leitung einer Expedition war: Seine Objektivität war auf null gesunken, sein Ziel war zur Obsession geworden. Bei Bergsteigern nennt man so etwas Gipfelfieber; ich habe es selbst schon erlebt.
    Um kurz nach halb sieben war ich wieder zurück. Katya wartete in der Hotelbar auf mich. Ich hatte befürchtet, auch Anderson dort vorzufinden, aber der Raum war fast leer. Nur Katya saß in einer Ecke, und ein älteres Paar zankte sich mit gedämpften Stimmen. Katya musste merken, dass etwas vorgefallen war, denn ich machte gar nicht erst an der Bar Halt, sondern steuerte geradewegs auf sie zu und legte zwei Blätter vor sie hin.
    »Wir waren ja so dumm«, sagte ich.
    Sie schaute auf die Blätter und sah dann auf. Ihre Augen leuchteten vor Neugier.
    »Das sind doch die Fotokopien, die wir bekommen haben«, sagte sie. »Der Brief an die Frau in Stamford.«
    »Ja. Und wo in dem Brief steht, dass sie in Stamford gewohnt hat?«
    Sie überflog die Seite noch einmal. Ich spürte, wie es in ihrem Kopf arbeitete, wie ihre Gedanken vorauseilten. »In dem Brief steht es nicht. Nur auf dem Umschlag.<
    »Genau.« Ich schob die Kopie des Umschlags vor sie hin, die zusammen mit dem Brief gekommen war.
    Miss Martha Ainsby,
The Old Manor,
Stamford,
Lincs
    »Das Original haben wir nie gesehen«, fuhr ich fort. »Was Potts gefunden hat, war auch nur eine Kopie. Und wenn ich dir jetzt sage, dass es in Lincolnshire einen Ort namens Ainsby gibt?<
    »Du meinst, es ist ein Name aus der Gegend dort? Ich versteh nicht...« Sie starrte weiter auf den Umschlag, als wartete sie auf eine Eingebung, dann schien der Groschen plötzlich zu fallen. »Natürlich! Jemand hat die Namen vertauscht!« Noch immer angestrengt nachdenkend hielt sie den Blick auf das Blatt gesenkt. »Die Schrift auf dem Umschlag wirkt echt, weil sie echt ist - da sind nur zwei Wörter vertauscht worden. Das wäre kein Kunststück - ein

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