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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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seinen Kopf mit militärischer Präzision und fixierte mich mit stechendem Blick, der erst weicher wurde, als er mich erkannte. Die starre Maske seines Antlitzes löste sich, ja, je näher ich kam, desto kummervoller sah es aus. Als ich nahe genug war, um die Stimmen hinter der Tür zu vernehmen, begriff ich seine Verlegenheit.
    Sie mußten ziemlich laut miteinander gesprochen haben, um durch die schwere Eichentür verständlich zu sein. Crassus rhetorisch geschulte Stimme klang deutlicher, die andere Stimme hatte ein tieferes, grollendes Timbre, das nicht so leicht zu verstehen war, auch wenn das dröhnende Organ unverkennbar Marcus Mummius gehörte.
    »Zum letzten Mal, es wird keine Ausnahmen geben!« Das war Crassus. Es folgte eine grummelnde Erwiderung von Mummius, zu gedämpft, um mehr als ein paar Wortfetzen zu verstehen - »wie oft... stets loyal, selbst als... du schuldest mir diesen Gefallen.«
    »Nein, Marcus, nicht einmal als Gefallen!« brüllte Crassus. »Laß die tote Vergangenheit ruhen. Dies ist eine Frage der Politik- ohne jede persönliche Rücksichtnahme. Wenn ich auch nur eine sentimentale Ausnahme zulasse, wird das Ganze kein Ende nehmen - Gelina wird wollen, daß ich sie alle rette! Was für einen Eindruck würde das wohl in Rom machen? Nein, ich werde mich nicht zum Narren machen lassen, nur weil es dir an gesundem Menschenverstand mangelt, derlei kleinliche Anhänglichkeiten zu vermeiden -«
    Das rief einen wütenden Wortschwall von Mummius hervor; ich konnte die einzelnen Worte nicht verstehen, doch die Seelenqual unter all dem Zorn war unüberhörbar. Einen Moment später wurde die Tür plötzlich so heftig aufgerissen, daß der Leibwächter zurückwich und sein Schwert zog.
    Heraus trat Mummius, mit hochrotem Kopf und hervorquellenden Augen, das Kinn so hart und starr gereckt, daß man damit Steine hätte zermahlen können. Er wandte der Bibliothek den Rücken zu und ballte die Fäuste, wobei die Venen in seinen kräftigen Unterarmen hervortraten wie die Adern auf seiner Stirn. »Wenn du und Lucius zugelassen hättet, daß ich ihn für mich kaufe, wäre es nie so weit gekommen! Du könntest dem Jungen nichts anhaben! Und wenn Jupiter persönlich versuchen würde, ihm ein Haar zu krümmen, ich würde -«
    Er gab ein würgendes Geräusch von sich und begann, unfähig weiterzusprechen, zu zittern. Erst jetzt schien er zu bemerken, daß noch jemand im Flur stand. Er starrte leeren Blickes zuerst den Wächter und dann mich an. Sein Gesicht blieb wutverzerrt, doch seine Augen glänzten heiß und begannen, sich mit Tränen zu füllen.
    Ein Stück den Flur hinunter Richtung Atrium öffnete sich eine Tür. Die Haare wirr, die Schminke verschmiert, spähte Gelina mit verwirrter Miene in den Flur. »Lucius?« flüsterte sie heiser. Selbst auf die Entfernung konnte ich den Wein riechen, den sie ausdünstete.
    Crassus kam aus der Bibliothek. Einen Moment lang herrschte angespanntes Schweigen. »Geh zurück in dein Bett, Gelina«, sagte Crassus streng. Sie zog die Brauen zusammen und gehorchte widerspruchslos. Crassus blähte die Nüstern mit einem tiefen Seufzer und hob das Kinn. Einen langen Augenblick erwiderte Mummius sein Starren, bevor er herumfuhr und wortlos den Flur hinuntereilte. Der junge Wächter steckte sein Schwert leise zurück in die Scheide, biß die Zähne zusammen und starrte stur geradeaus. Ich öffnete den Mund, um meine Anwesenheit irgendwie zu erklären, doch Crassus entließ mich aus dieser Pflicht.
    »Steh hier nicht rum und halte Maulaffen feil. Komm rein!«
    Mit den typischen guten Manieren des Adels erwähnte Crassus den Streit, den ich gerade mit angehört hatte, mit keinem Wort. Außer seiner leicht geröteten Stirn und dem Seufzer, der ihm entwich, als er die Tür hinter uns schloß, deutete nichts in seinem Verhalten auf das Geschehene hin, so als wäre es nie passiert. Wie am Vorabend trug er gegen die Kälte ein Gewand, das eher an einen griechischen Chlamys als an einen römischen Umhang erinnerte; offenbar hatte ihn die Auseinandersetzung hinreichend aufgewärmt, denn er legte das Kleidungsstück ab und warf es auf die Zentauren-Statue. »Wein?« bot er mir an und nahm einen Becher aus dem Regal. Ich bemerkte, daß bereits zwei Becher auf dem Tisch standen, einer für ihn selbst und einer für Mummius; beide waren leer.
    »Fasten wir nicht?«
    Crassus zog eine Braue hoch. »Ich habe aus berufenem Mund gehört, daß man sich des Weins nicht enthalten muß, wenn man für

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