Die Pforten Des Hades
Kosten für den Erhalt hinzurechnet?« Orata senkte seine Stimme. »Er hat mir ganz im Vertrauen erzählt, daß seine Chance, sich von Crassus zu befreien, endlich gekommen sei. Er schlug mir vor, daß wir beide eine Partnerschaft begründen sollten; meine geschäftliche Erfahrung würde mit seinem Kapital eine ideale Verbindung eingehen, meinte er. Er hatte einige sehr gute Ideen, wie ich zugeben muß.«
»Doch du warst skeptisch.«
»Das Wort >Partnerschaft macht mich immer skeptisch. Ich habe schon sehr früh gelernt, stets meine eigenen Wege zu gehen.«
»Aber wenn Lucius das Geld anbot -«
»Das ist es ja gerade: Wo hatte er es her? Als ich die Bäder in diesem Haus renoviert habe, hat Crassus den endgültigen Vertrag unterschrieben, und Crassus hat auch immer dafür gesorgt, daß ich meine Honorare pünktlich erhielt. Aber gelegentlich traten zusätzliche Kosten auf, Kleinigkeiten, mit denen Lucius Crassus nicht behelligen mochte, so daß er sie meist selbst erstattete. Er tat stets so, als wäre es schon ein großes Opfer, auch nur ein paar Sesterzen für eine Wagenladung Kalk aufzubringen.« Orata runzelte seine plumpe Stirn. »Ich habe ja bereits erwähnt, daß Lucius gerne üppige Abendessen gab, aber das war erst seit ein oder zwei Jahren so. In früheren Zeiten gab er immer vor, wohlhabender zu sein, als er in Wirklichkeit war. Man konnte sozusagen das Messing unter dem Gold durchschimmern sehen - die Austern mochten frisch sein, doch man sah, daß die Sklaven für jeden neuen Gang dieselben Silberlöffel polierten, weil nicht genug vorrätig waren, um damit ein mehrgängiges Mahl zu bestreiten.«
»In der Tat feinsinnig beobachtet.«
»In meiner Zunft lernt man die feinen Unterschiede zwischen wahrem und vorgeblichem Reichtum zu erkennen. Ich hasse es, auf einer Rechnung sitzenzubleiben, die ich nicht eintreiben kann.«
»Und im Laufe des letzten Jahres konnte sich Lucius alle Silberlöffel kaufen, die er brauchte?«
»Genau. Und offenbar schien er weitere Neuerwerbungen zu planen.«
»Dann muß er das Gehalt, das Crassus ihm zahlte, sehr lange angespart haben.«
Orata schüttelte bedrückt den Kopf.
»Was dann? Hatte er noch eine andere Einnahmequelle?«
»Nicht daß ich wüßte. Und es gibt nur sehr wenige geschäftliche Transaktionen rund um den Golf, von denen ich nichts weiß - zumindest nur sehr wenige legale geschäftliche Transaktionen.«
»Du meinst -«
»Ich meine nur, daß Lucius plötzlicher Reichtum mir ein Rätsel war.«
»Und Crassus?«
»Ich glaube nicht, daß Crassus davon wußte.«
»Doch was hätte Lucius tun können, daß nicht einmal Crassus davon erfuhr? Willst du andeuten, daß es irgendwelche geheimen -«
»Ich will überhaupt nichts andeuten«, beharrte Orata mit nichtssagender Höflichkeit. Er löste seinen Blick von der Bucht und betrachtete das Haus. Die letzten Spuren des Abendessens waren beseitigt; sogar die Serviertische waren weggetragen worden. Er seufzte und schien mit einem Mal jedes Interesse an unserer Unterhaltung verloren zu haben. »Ich denke, ich ziehe mich jetzt auf mein Zimmer zurück.«
»Aber Sergius Orata, du mußt doch gewiß irgendwelche Ideen oder Vermutungen haben -«
Er hob recht ausladend die Schultern und breitete die Hände aus, eine wohlgeübte Geste, um unerwünschte Investoren und Klienten abzuschütteln, die zu unbedeutend waren, um sich mit ihnen abzugeben. »Ich weiß nur, daß Marcus Crassus auch hergekommen ist, um Lucius Buchführung sorgfaltig zu überprüfen und sich persönlich einen Überblick über seine Kapitalanlagen rund um den Golf zu verschaffen. Wenn er lange und gründlich genug nachsieht, wird er vermutlich auf ein paar überaus unangenehme Überraschungen stoßen.«
Auf meinem Weg zur Bibliothek mied ich das Atrium, wo die sterblichen Überreste von Lucius Licinius aufgebahrt lagen; wenn meine Mission sich nun auch darauf erstreckte, gewisse peinliche oder möglicherweise sogar kriminelle Transaktionen seinerseits aufzudecken, wollte ich nicht mitten in der Nacht seinem Schatten begegnen. Ich trug eine Lampe, um mich in den unvertrauten Fluren zurechtzufinden, was jedoch kaum nötig gewesen wäre; Mondlicht fiel wie flüssiges Silber durch die Fenster und Oberlichter und erfüllte die Flure und Hallen mit einem kalten Leuchten.
Ich hoffte, die Bibliothek leer vorzufinden, doch als ich um die Ecke kam, sah ich den Leibwächter, der schon am Vorabend die Tür bewacht hatte. Bei meinem Auftauchen wandte er
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