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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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einzubringen war, wie man sagen konnte, ob Regen zu erwarten war, wie man Boote baute, wie man Schafe züchtete (nun ja, dieses bisschen wusste er auch), wie man ein Leben in Wohlstand haben konnte. Mehr noch: Es wusste, wie man all dieses Wissen an die nächste Generation weitergab. Abraham wusste, dass seine eigene winzige Intelligenz nichts war im Vergleich zu jenem majestätischen Etwas . Also reifizierte er es und gab ihm einen Namen: Jahwe, was bedeutet »Das, was ist«.* [* Der Gottesname wird im Hebräischen nur mit den Konsonanten JHWH geschrieben, im Englischen meistens fälschlich als »Jehova«, von gläubigen Juden aber niemals ausgesprochen, sondern durch das Wort für »Herr« ersetzt; seine ursprüngliche Bedeutung ist nicht eindeutig geklärt. Üblich ist, ihn auf die Formulierung »Ich bin, der ich bin« oder, wie man in der Lutherbibel nachlesen kann (2. Mose 3, 14), »Ich werde sein, der ich sein werde« zurückzuführen. – Anm. d. Übers. ] So weit, so gut, doch dann machte er einen einfachen, aber intellektuell verhängnisvollen Fehler. Er geriet in die Falle der »ontischen Ablage«.
    Ein netter Begriff. Was bedeutet er? Ontologie ist die Lehre von Wissen. Nicht das Wissen selbst, sondern die Lehre davon, seine Erforschung. Eine wichtige Methode, neues Wissen festzumachen, ist die Erfindung neuer Wörter. Wenn man beispielsweise einen Hammer macht, muss jemand ein schweres, festes Ding herstellen, das am wirksamen Ende sitzt. Man verwendet einen passenden Stein oder fertigt es aus Metall an; jedenfalls kann man es nicht endlos »das schwere feste Ding am Ende des Hammers« nennen. Also schauen Sie sich nach einer Metapher um und erinnern sich, dass das Ding, was bei einen Menschen oder einem Tier am wirksamen Ende sitzt, Kopf genannt wird. Und so erfinden Sie den Begriff »Hammer-Kopf«.
    Sie haben jetzt das Wissen, was der Stein oder das Metallstück ist, in einem Namen abgelegt . Wir sagen »abgelegt«, weil Sie sich für die meisten Zwecke nicht zu erinnern brauchen, wo der Name herkam. Hammerkopf (ohne Bindestrich) ist ein eigenständiges Ding geworden, nicht eine Eigenschaft, die einem Hammer zukommt.
    Der menschliche Geist ist eine Erzählvorrichtung, eine Metaphern-Maschine: ontische Ablage ergibt sich für Wesen wie uns ganz natürlich. So funktionieren unsere Sprache, unser Geist. Es ist ein Trick, um Dinge zu vereinfachen, die sonst unfasslich wären. Es ist das linguistische Analogon zu einer politischen Hierarchie als Methode, mit der ein Mensch über Millionen gebieten kann. Ein Nebeneffekt ist, dass ontisch abgelegte Wörter in Assoziationen schwimmen. Wir sind uns dieser Assoziationen selten bewusst, außer, wenn wir gelegentlich innehalten und uns etwas in der Art fragen wie: »Was in aller Welt hat ›Elfenbein‹ mit den Beinen von Elfen zu tun?« Dann stürzen wir zum Wörterbuch und stellen fest, dass »Bein« das alte deutsche Wort für »Knochen« war (wie noch im Schlüsselbein, Nasenbein usw.) und dass die Elfen in diesem Wort gar keine netten oder gemeinen Elfen sind, sondern nachlässig ausgesprochene Elefanten …
    Im Unterbewusstsein sind wir uns der dunklen Assoziationen mehrere Ebenen abwärts in der Hierarchie der ontischen Ablage nur zu gut bewusst. Daher sind Wörter, die abstrakte Etiketten sein sollten, über und über mit ihren (oft irrelevanten) Geschichten behaftet.
    Abraham also war von der Ehrfurcht vor »dem, was ist« überwältigt und legte sie ontisch in einem Wort ab, Jahwe. Woraus schon bald ein Ding wurde, ja sogar eine Person . Das ist wiederum eine von unseren Angewohnheiten: Dinge zu personifizieren. Abraham tat also den winzigen Schritt von »es gibt etwas außerhalb von uns, das größer ist als wir« zu »es gibt jemanden außerhalb von uns, der größer ist als wir«. Er hatte einen Blick auf die sprießende Extelligenz seiner Kultur geworfen, und vor seinen Augen verwandelte sie sich in Gott.
    Und das ergab so viel Sinn. Es erklärte noch so vieles anderes. Statt dass die Welt aus Gründen, die er nicht verstehen konnte, so war, wie sie war – obwohl das größere Etwas sie durchaus verstand –, sah er nun, dass die Welt so war, weil Gott sie so gemacht hatte. Es regnete nicht, weil irgendein ordinärer götzenhafter Regengott es regnen ließ; Abraham war zu klug, das zu glauben. Es regnete, weil der Ehrfurcht gebietende Gott, dessen Anwesenheit überall zu sehen war, es regnen ließ. Und er, Abraham, konnte nicht hoffen, den Geist

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