Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Gottes zu verstehen, also konnte er natürlich nicht voraussagen, wann es regnen würde.
    Wir haben Abraham hier als Platzhalter verwendet. Nehmen Sie Ihre Religion, Ihren Gründer, und passen Sie die Geschichte an. Wir behaupten nicht zu wissen, dass die Geburt des Judaismus so stattfand, wie wir es eben erklärt haben. Das war nur eine Geschichte, wahrscheinlich nicht wahrer als die von Pu dem Bären und dem Honig. Doch so, wie Pu im Kaninchenbau uns etwas über Gier lehrt, weist Abrahams ontische Ablage auf einen plausiblen Weg hin, auf dem normale, vernünftige Leute von ihren eigenen spirituellen Gefühlen dazu geführt werden können, einen Naturprozess zu einem unergründlichen Wesen zu reifizieren.
    Diese Reifikation hatte viele positive Folgen. Menschen beachten die Wünsche unergründlicher, allmächtiger Wesen. Religiöse Lehren legen oft Richtlinien (Gesetze, Gebote) für ein akzeptables Verhalten anderen Menschen gegenüber fest. Freilich, es gibt viele Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Religionen oder zwischen Sekten innerhalb einer Religion, was die Feinheiten angeht. Und es gibt ein paar ziemlich wesentliche Bereiche von Meinungsverschiedenheiten, wie die empfohlene Behandlung von Frauen oder das Ausmaß, in dem den Ungläubigen Grundrechte gewährt werden sollten. Im Großen und Ganzen jedoch besteht in solchen Lehren eine starke Übereinstimmung, beispielsweise eine fast universelle Verurteilung von Diebstahl und Mord. Praktisch alle Religionen bekräftigen einen sehr ähnlichen Konsens, was »gutes« Verhalten ist, vielleicht, weil es dieser Konsens ist, der die Erprobung durch die Zeit bestanden hat. In Begriffen des Unterschieds zwischen barbarischer und Stammesgesellschaft ist es ein stammesmäßiger Konsens, von Stammesmethoden wie dem Ritual verstärkt, doch darum nicht schlechter.
    Viele Menschen finden in ihrer Religion Inspiration, und sie hilft ihnen, ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln. Sie verstärkt ihr Gefühl, welch ein Ehrfurcht gebietender Ort das Universum ist. Sie hilft ihnen, mit Katastrophen fertig zu werden. Mit Ausnahmen, die größtenteils mit spezifischen Umständen wie Krieg zusammenhängen, predigen die meisten Religionen, dass Liebe gut und Hass schlecht ist. Und die ganze Geschichte hindurch haben gewöhnliche Menschen auf dieser Grundlage große Opfer gebracht – oftmals ihr eigenes Leben. Diese Art Verhalten, allgemein Altruismus genannt, hat den Evolutionsbiologen eine Menge Kopfzerbrechen beschert. Zuerst wollen wir zusammenfassen, was sie über das Problem gedacht haben und zu welchen Schlussfolgerungen sie gelangt sind. Dann werden wir eine alternative Herangehensweise betrachten, die ursprünglich von religiösen Erwägungen motiviert ist und uns viel mehr zu versprechen scheint.
    Zunächst einmal ist Altruismus kein Problem. Wenn zwei Organismen zusammenarbeiten – womit wir in diesem Kontext meinen, dass jeder bereit ist, sein Leben zu riskieren, um dem anderen zu helfen* [* Es scheint kein brauchbares Wort für »altruistisch sein« zu geben. Altruieren?] –, dann haben beide Aussicht auf Gewinn. Die natürliche Auslese fördert solche Vorteile und verstärkt sie. Was mehr braucht es zur Erklärung?
    Leider ziemlich viel. Ein Standard-Reflex in der Evolutionsbiologie ist die Frage, ob solch eine Situation stabil ist – ob sie hält, wenn andere Organismen andere Strategien einsetzen. Was passiert beispielsweise, wenn die meisten Organismen kooperieren, ein paar aber lieber betrügen? Wenn die Betrüger gedeihen, dann ist es besser, ein Betrüger zu werden, als zu kooperieren, und die Strategie der Kooperation ist instabil und stirbt aus. Wenn man auf die Methoden der Genetik Mitte des 20. Jahrhunderts zurückgreift – den Ansatz, den als Erster Ronald Aylmer Fisher vorgebracht hat –, dann kann man berechnen und die Umstände ermitteln, unter denen Altruismus eine evolutionär stabile Strategie ist. Die Antwort lautet, dass es darauf ankommt, mit wem man kooperiert, für wessen Leben man das eigene riskiert. Je enger sie mit einem verwandt sind, je mehr Gene sie mit einem teilen, umso eher sind sie es wert, dass man die eigene Sicherheit für sie aufs Spiel setzt. Diese Analyse führt zu Schlussfolgerungen wie: »Es lohnt sich, in einen See zu springen, um die eigene Schwester zu retten, aber nicht die Tante.« Und schon gar nicht einen Fremden.
    Das ist genetische Orthodoxie, und wie die meisten Orthodoxien wird sie von den

Weitere Kostenlose Bücher