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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Orthodoxen geglaubt. Doch andererseits: Wenn jemand in einen See gefallen ist, fragt man nicht: »Entschuldigen Sie, mein Herr, wie eng sind wir verwandt? Sind Sie vielleicht zufällig ein naher Verwandter von mir?«, ehe man hineinspringt, um ihn zu retten. Wenn jemand die Sorte Mensch ist, der hineinspringt, dann tut er es, egal, wer in den See gefallen ist. Ist er das nicht, dann tut er es nicht. Meistens. Eine deutliche Ausnahme ergibt sich, wenn ein Kind hineinfällt; selbst wenn sie nicht schwimmen können, werden die Eltern sehr wahrscheinlich hineinspringen, um es zu retten, doch sie würden das wahrscheinlich nicht für ein fremdes Kind tun und erst recht nicht für einen Erwachsenen. Es spricht also einiges für die genetische Orthodoxie.
    Allerdings nicht viel. Fishers Mathematik ist ziemlich altmodisch und beruht auf einem stark – und sehr unsicher – vereinfachten Modell.* [* Zu Fishers Zeit war diese Vereinfachung eine großartige Idee, weil sie es ermöglichte, die Berechnungen anzustellen. Heute ist es eine schlechte Idee, und zwar aus demselben Grunde. Man kann es so berechnen, doch man kann den Antworten nicht im Mindesten trauen.] Es stellt eine biologische Art durch ihren Genpool dar, wo nichts zählt als der Anteil der Organismen, die ein bestimmtes Gen besitzen. Statt verschiedene Strategien zu vergleichen, die ein Organismus anwenden könnte, ermittelt das Modell, welche Strategie »im Durchschnitt« am besten ist. Und soweit individuelle Organismen in diesem Rahmen überhaupt vorkommen, nämlich nur als Beiträger zum Genpool, wird Wettbewerb zwischen Organismen als direkte Entscheidung »ich gegen dich« betrachtet. Ein Vogel, der Samen frisst, wird im Kampf ums Überleben – einer gegen einen – einem Würmer fressenden Vogel gegenübergestellt, wie zwei Tennisspieler … und möge der bessere Vogel siegen.
    Das ist eine Erbsenzähler-Analyse, mit Erbsenzähler-Mentalität ausgeführt. Der Vogel mit den meisten Erbsen (etwa Energie von Samen oder Würmern) überlebt, der andere nicht.
    Als komplexes System betrachtet, funktioniert die Evolution überhaupt nicht so. Organismen können manchmal direkt miteinander konkurrieren – zum Beispiel zwei Vögel, die am selben Wurm ziehen. Oder zwei Vogeljunge im Nest, wo direkte Konkurrenz heftig und tödlich sein kann. Doch meistens findet die Konkurrenz indirekt statt – so indirekt, dass »konkurrieren« einfach nicht das richtige Wort ist. Jeder einzelne Vogel überlebt oder nicht vor dem Hintergrund von allem anderen, einschließlich der anderen Vögel. Vogel A und Vogel B stehen sich nicht einer gegen einen gegenüber. Sie konkurrieren miteinander nur in dem Sinne, dass wir die Leistung des einen mit der des anderen vergleichen wollen und einen von beiden für erfolgreicher erklären.
    Es ist wie bei zwei jungen Leuten, die die Fahrprüfung ablegen. Vielleicht befindet sich der eine in Großbritannien und der andere in den USA. Wenn einer besteht und der andere durchfällt, können wir den Ersteren zum »Sieger« erklären. Doch die beiden jungen Leute wissen nicht einmal, dass sie miteinander im Wettbewerb stehen, weil sie es nämlich nicht tun. Erfolg oder Misserfolg des einen hat keine Auswirkung auf Erfolg oder Misserfolg des anderen. Trotzdem darf der eine einen Wagen fahren und der andere nicht.
    Das System der Fahrprüfungen funktioniert so, und es spielt keine Rolle, dass die amerikanische Prüfung leichter als die britische zu bestehen ist (wie wir aus persönlicher Erfahrung bestätigen können). Evolutionäre »Konkurrenz« funktioniert meistens wie die Fahrprüfung, doch mit der zusätzlichen Komplikation, dass sie gelegentlich doch eher einem Tennisspiel gleicht.
    So gesehen, ist die Evolution ein komplexes System mit Organismen als Wesenheiten. Welche Organismen überleben und sich fortpflanzen und welche nicht, wird auf der Ebene des Systems bestimmt. Es hängt ebenso vom Kontext (amerikanische Fahrprüfung oder britische) wie von den inneren Eigenschaften der Individuen ab. Das Überleben einer biologischen Art ist eine emergente Eigenschaft des ganzen Systems, und keine einfache kurzschlüssige Berechnung kann es vorhersagen. Insbesondere können Berechnungen, die auf der Häufigkeit von Genen im Genpool beruhen, es nicht vorhersagen, und die vermeintliche Erklärung des Altruismus durch Gen-Häufigkeiten überzeugt nicht.
    Warum tritt dann Altruismus auf? Eine interessante Antwort gab Randolph Nesse 1999 in der

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