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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Bergen und Wäldern von Lancre gab es viele Götter. Einer von ihnen hieß Hern der Gejagte. Er war der Gott des Jagens und Verfolgens. Mehr oder weniger.
    Die meisten Götter werden von Glauben und Hoffnung erschaffen und am Leben erhalten. Jäger tanzen in Fellen und Tierhäuten, schaffen dadurch Jagdgötter, die zu Ausgelassenheit neigen und den Takt einer Flutwelle besitzen. Aber dabei handelt es sich nicht um die einzigen Götter der Jagd. Auch das Opfer hat eine okkulte Stimme, während der Puls rast und die Hunde bellen. Hern war der Gott der Gejagten und Verfolgten und all jener kleinen Geschöpfe, deren Schicksal darin besteht, ihr Leben mit einem erschrockenen Quieken zu beenden.
    Wenn man religiöse Glaubensvorstellungen diskutiert, läuft man immer Gefahr, jemanden aufzubringen. Dasselbe gilt natürlich auch für Diskussionen über Fußball, doch die Leute nehmen ihre Religion fast ebenso ernst. Beginnen wir also – wie gegen Ende von Die Gelehrten der Scheibenwelt – mit dem Eingeständnis: »Alle Religionen sind wahr, wenn man für Wahrheit einen bestimmten Wert annimmt.« Wir haben nicht den Wunsch, Ihren Glaubensvorstellungen Schaden zuzufügen, falls Sie welche haben, noch andernfalls Ihrem Mangel an Glauben. Wir haben freilich nichts dagegen, wenn wir Ihre Glaubensvorstellungen modifizieren. Das ist unsere Verantwortung und Ihre Entscheidung: Machen Sie uns keinen Vorwurf. Doch wir werden uns in Kürze die Wissenschaft vornehmen und dann die Kunst, also wäre es wohl nicht fair, die Religion unbehelligt zu lassen. Was immer Sie auch glauben mögen, Religion ist doch ein grundlegender Zug des Menschseins, und sie ist eins von den Dingen, die uns zu dem gemacht haben, was wir sind. Wir müssen sie untersuchen und fragen, ob die Scheibenwelt sie in einem neuen Licht erscheinen lässt.
    Wenn Sie religiös sind und sich bei dem, was wir sagen, wohl fühlen möchten, können Sie allemal annehmen, dass wir von allen anderen Religionen sprechen, nur nicht von Ihrer. Vor ein paar Jahren sprach während der Ökumenischen Woche Rabbi Lionel Blue innerhalb einer Folge über Toleranz den »Gedanken des Tages« im Radioprogramm der BBC. Er war der erste Sprecher in der Folge und schloss mit einem Scherz. »Man hätte mich nicht bitten sollen, die Folge zu beginnen«, sagte er und erklärte dann, worin sich die folgenden Sprecher der anderen Religionen von ihm unterscheiden würden und wie es sich dazu tolerant verhalten würde. »Schließlich«, sagte er, »verehren sie Gott auf ihre Art …, während ich Ihn auf die Seine verehre.«
    Wenn Sie das wirklich für einen Scherz halten, wie es der gute Rabbi tat, aber auch verstehen, dass es außerhalb dieses gemütlichen Kontexts in einer multikulturellen Welt keine gute Art zu denken ist, geschweige denn zu sprechen, dann haben Sie schon den Finger auf der zwiespältigen Rolle, welche die Religion in der menschlichen Geschichte gespielt hat. Mit den geistigen Drehungen und Wendungen, die es braucht, um in einer Multikultur zu leben.
    Für einen unvoreingenommenen und kühlen Beobachter hat das große Problem bei der Religion nichts mit dem Widerstreit von Glaube und Beweis zu tun. Wenn die Religion Beweisen oder Widerlegungen wissenschaftlicher Art zugänglich wäre, gäbe es nicht viel zu diskutieren. Nein, das große Problem ist die Ungleichheit zwischen der individuellen menschlichen Spiritualität – dem tief sitzenden Gefühl, dass wir in dieses Ehrfurcht gebietende Universum gehören – und den verheerenden Katastrophen, die organisierte Religionen im Großmaßstab zu verschiedenen Zeiten, höchstwahrscheinlich auch gestern, dem Planeten und seinen Menschen zugefügt haben. Das ist bestürzend. Die Religion sollte eine Macht für das Gute sein, und meistens ist sie das … Doch wenn sie es nicht ist, geht sie auf spektakuläre und schreckliche Art fehl.
    Sowohl in Pyramiden als auch in Einfach göttlich sehen wir, dass das eigentliche Problem in diesem Zusammenhang nicht die Religionen als solche sind, sondern die Priester. Es ist bekannt, dass Priester sich der spirituellen Gefühle von Individuen bemächtigt und sie zu etwas Schrecklichem verdreht haben; die Quisition in Einfach göttlich war schwerlich eine Erfindung. Manchmal wurde es für Macht oder für Geld getan. Es wird sogar getan, weil die Priester tatsächlich glauben, dass der Gott ihrer Wahl es von ihnen verlange.
    Wiederum sind auf individueller Ebene viele Priester (oder ihre

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