Die Philosophen der Rundwelt
Seite. »Manche Leute sind Helden. Andere schreiben Dinge auf.«
»Ja, aber das ist nicht sehr …«
Sacharissa hob den Kopf, sah William an und lächelte. »Manchmal handelt es sich um dieselbe Person.«
Diesmal senkte William bescheiden den Blick.
»Hältst du das wirklich für wahr?«, fragte er.
Sacharissa zuckte mit den Schultern. »Ob ich es wirklich für wahr halte? Wer weiß? Dies ist eine Zeitung. Es braucht nur bis morgen wahr zu sein.«
Lügen-für-Kinder, sogar die von der Nachrichtenblatt-Sorte, sind meistens gut gemeint und nützlich, und selbst wenn sie es nicht sind, sind sie doch so beabsichtigt . Sie sind dafür gemacht, eine Pforte zu öffnen, die schließlich zu verfeinerten Lügen-für-Kinder führt und mehr von der Komplexität der Wirklichkeit widerspiegelt. Wissenschaft und Kunst und Geschichte und Ökonomie unterrichten wir mithilfe einer Folge von sorgfältig konstruierten Lügen. Von Geschichten, wenn man so will … Aber eine Geschichte haben wir ja schon als Lüge charakterisiert.
Der Lehrer erklärt die Farben des Regenbogens in Begriffen der Lichtbeugung, übergeht aber die Form des Regenbogens und die Anordnung der Farben. Wenn man aber anfängt, darüber nachzudenken, ist das rätselhafter und eher das, was wir wissen wollen, wenn wir fragen, warum Regenbögen so und nicht anders aussehen. Dahinter steckt viel mehr Physik als ein Regentropfen, der als Prisma fungiert. Später können wir die nächste Ebene von Lügen entwickeln, indem wir dem Kind die elegante Geometrie von Lichtstrahlen zeigen, die beim Eintritt in einen kugelförmigen Regentropfen gebeugt werden, dann reflektiert und beim Austritt wieder gebeugt, wobei jede Farbe entlang eines geringfügig anderen Winkels fokussiert wird. Noch später erklären wir, dass Licht überhaupt nicht aus Strahlen besteht, sondern aus elektromagnetischen Wellen. In der Universität dann sagen wir den Studenten der unteren Semester, dass diese Wellen überhaupt keine Wellen sind, sondern winzige quantenmechanische Wellenpakete, Photonen. Außer dass die »Wellenpakete« in den Lehrbüchern auch nicht ganz stimmen … Und so weiter. Unser gesamtes Verständnis der Natur ist von solcher Art, nichts davon ist die absolute Wirklichkeit.
SIEBENUNDZWANZIG
Fehlender Wille
Die Zauberer wussten nie genau, wo sie sich befanden. Dies war nicht ihre Geschichte. Historische Epochen bekamen ihre Namen immer hinterher: das Zeitalter der Erleuchtung, die Depression und so weiter. Was keineswegs heißen soll, dass die Menschen manchmal nicht deprimiert sind, während Erleuchtung sie umgibt, oder dass sie sich selbst in schlechten Zeiten nie freuen. Andere Epochen sind nach Königen benannt, als ob das Land von jenen Schlitzohren definiert worden wäre, die sich mit Intrigen und Messern bis ganz nach oben befördert hatten. Und als ob die Leute sagen würden: »Hurra, die Herrschaft des Hauses Chichester – eine Zeit religiöser Auseinandersetzungen und anhaltender Konflikte mit Belgien – ist jetzt zu Ende, und wir können uns auf die Zeit des Hauses von Luton freuen, eine Epoche der Expansion und wachsender Gelehrsamkeit!«
Die Zauberer beschlossen, die Zeit ihrer Ankunft »D« zu nennen, und dort waren sie jetzt wieder, einige von ihnen braun gebrannt.
Einmal mehr hatten sie Dees Bibliothek mit Beschlag belegt.
»Phase eins scheint ganz gut geklappt zu haben, meine Herren«, sagte Ponder Stibbons. »Die Welt ist zweifellos bunter. Offenbar haben wir den Elfen dabei, äh, geholfen , die Evolution dessen voranzutreiben, was ich Homo narrans nennen möchte, den ›Geschichten erzählenden Menschen‹.«
»Es gibt noch immer Religionskriege«, wandte der Dekan ein. »Und aufgespießte Köpfe.«
»Ja, aber aus interessanteren Gründen«, erwiderte Ponder. »So sind Menschen nun einmal. Phantasie ist Phantasie. Man benutzt sie für alles . Für wundervolle Kunst und schreckliche Folterwerkzeuge. Wie hieß das Land, in dem sich der Dozent für neue Runen den Magen verdorben hat?«
»Italien, glaube ich«, sagte Rincewind. »Wir anderen nahmen die Nudeln.«
»Nun, dort gibt es jede Menge Kirchen, Kriege und Gräuel – und auch erstaunliche Kunst. Besser als die bei uns zu Hause. Darauf können wir stolz sein, meine Herren.«
»Aber als wir ihnen das Buch zeigten, das der Bibliothekar im B-Raum gefunden hat, mit dem Titel ›Große Kunstwerke‹ und mit vielen bunten Bildern …«, murmelte der Professor für unbestimmte Studien. Ihn schien
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