Die Philosophen der Rundwelt
etwas zu bedrücken, aber er wusste nicht, wie er es in Worte fassen sollte.
»Ja?«, fragte Ridcully.
»Nun, es war doch kein Mogeln , oder?«
»Natürlich nicht«, sagte Ridcully. »Die Bilder müssen irgendwo gemalt worden sein. In einer anderen Dimension. In was Quantischem. In einer parallelen Eventualität oder was in der Art. Es spielt keine Rolle. Solche Dinge ziehen Kreise und kommen hier heraus.«
»Aber ich glaube, dem großen, kahlköpfigen Mann haben wir zu viel gesagt«, meinte der Dekan. »Dem Künstler, erinnert ihr euch? Sah Leonard von Quirm sehr ähnlich. Bart, gute Singstimme … Du hättest ihm nicht von der Flugmaschine erzählen sollen, die Leonard baute.«
»Oh, er kritzelte so viel, dass niemand darauf achten wird«, sagte Ridcully. »Und überhaupt: Wer erinnert sich schon an einen Künstler, der nicht einmal ein einfaches Lächeln richtig hinbekommt? Es geht hier um Folgendes , meine Herren: Phantastische Phantasie und, äh, praktische Phantasie gehen Hand in Hand. Das eine führt zum anderen. Man kann sie nicht voneinander trennen, nicht einmal mit einem großen Hebel. Bevor man etwas erschafft, muss man es sich im Geiste vorstellen.«
»Aber die Elfen sind immer noch da«, wandte der Dozent für neue Runen ein. »Wir haben ihr Werk nur noch verbessert! Ich verstehe nicht, was das soll! «
»Ah, das ist Phase zwei«, sagte Ponder. »Rincewind?«
»Was?«
»Erklär uns die zweite Phase. Erinnerst du dich? Du hast sie selbst angekündigt.«
»Ich wusste nicht, dass eine offizielle Präsentation nötig ist!«
»Du meinst, du hast keine Dias? Und keine Papiere mit Diagrammen und dergleichen?«
»So etwas würde mich nur aufhalten«, sagte Rincewind. »Es ist doch offensichtlich, oder? Wir sagen: ›Sehen ist glauben.‹ Ich habe darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gelangt, dass es überhaupt nicht stimmt. Wir glauben nicht an Stühle. Stühle sind einfach nur Dinge, die existieren.«
»Und?«, fragte Ridcully.
»Wir glauben nicht an Dinge, die wir sehen. Wir glauben an Dinge, die wir nicht sehen.«
»Und?«
»Und ich habe diese Welt mit dem B-Raum verglichen und glaube, dass wir sie zu einer Welt gemacht haben, in der die Menschen überleben«, sagte Rincewind. »Weil sie sich jetzt Götter und Ungeheuer vorstellen können. Und wenn man sich so etwas vorstellen kann, braucht man nicht mehr daran zu glauben.«
Nach einer langen Stille sagte der Professor für unbestimmte Studien: »Ist auch euch aufgefallen, wie viele Kathedralen man auf diesem Kontinent gebaut hat? Große Gebäude, voll gestopft mit wundervollen Kunstwerken. Und die Maler, mit denen wir gesprochen haben – sie haben viele religiöse Bilder gemalt …«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte Ridcully.
»All dies geschah zur gleichen Zeit, als die Leute damit begannen, sich für die Funktionsweise der Welt zu interessieren. Sie stellen mehr Fragen. Wie? Warum? Solche Fragen«, sagte der Professor für unbestimmte Studien. »Sie verhalten sich wie Phokian, aber ohne den Verstand zu verlieren. Rincewind scheint anzudeuten, dass wir die Götter dieser Welt umbringen.«
Die Zauberer sahen ihn an.
»Äh«, fuhr er fort, »wenn man glaubt, dass ein Gott groß, mächtig und überall ist, dann neigt man zu Gottesfürchtigkeit. Aber wenn jemand kommt und den Gott als großen bärtigen Mann am Himmel malt, so dauert es nicht lange, bis jemand sagt: Sei doch nicht blöd, es kann keinen großen bärtigen Mann auf einer Wolke geben, komm, lass uns die Logik erfinden.«
»Kann es hier keine Götter geben?«, fragte der Dozent für neue Runen. »Bei uns zu Hause haben wir einen ganzen Berggipfel voll davon.«
»Wir haben in diesem Universum nie Theologen entdeckt«, sagte Ponder nachdenklich.
»Aber es heißt doch, dass es von intelligenten Wesen erzeugt wird«, warf Ridcully sein. »So wie Kühe Methan erzeugen.«
»In einem auf Magie basierenden Universum ist das zweifellos der Fall«, erwiderte Ponder. »Aber dieses basiert auf gekrümmtem Raum.«
»Hier hat es viele Kriege mit vielen Toten gegeben, und bestimmt herrscht auch kein Mangel an Gläubigen«, sagte der Professor für unbestimmte Studien. Das Unbehagen war ihm deutlich anzusehen. »Wenn tausende für einen Gott sterben, so bekommt man einen Gott. Wenn jemand bereit ist, für einen Gott zu sterben, so bekommt man einen Gott.«
»Zu Hause, ja«, bestätigte Ponder. »Aber ob das auch hier so ist?«
Die Zauberer schwiegen eine Zeit
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