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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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wird, und geben sie zurück, wo nötig:
    Nach der Zweiten Schriftrolle des ewig überraschten Wen sägte der ewig überraschte Wen den ersten Zauderer aus dem Stamm des Wammwamm -Baums, schnitzte gewisse Symbole hinein, stattete ihn mit einer bronzenen Spindel aus und rief seinen Schüler Tollpatsch.
    »Ah. Sehr hübsch, Meister«, sagte Tollpatsch. »Eine Gebetsmühle, nicht wahr?«
    »Nein, dieser Gegenstand ist nicht annähernd so komplex«, erwiderte Wen. »Er dient nur dazu, die Zeit aufzubewahren und zu bewegen.«
    »Und das ist ganz einfach, wie?«
    »Jetzt werde ich ihn testen«, sagte Wen. Mit der einen Hand drehte er den Zauderer halb herum.
    »Ah. Sehr hübsch, Meister«, sagte Tollpatsch. »Eine Gebetsmühle, nicht wahr?«
    »Nein, dieser Gegenstand ist nicht annähernd so komplex«, erwiderte Wen. »Er dient nur dazu, die Zeit aufzubewahren und zu bewegen.«
    »Und das ist ganz einfach, wie?«
    »Jetzt werde ich ihn testen«, sagte Wen. Diesmal drehte er den Zauderer nicht ganz so weit.
    »Und das ist ganz einfach, wie?«
    »Jetzt werde ich ihn testen«, sagte Wen. Er drehte den Zauderer vorsichtig hin und her.
    »Und das ist ganz ei-ei-ei einfach, w-w-w wie einfach, wie?«, sagte Tollpatsch.
    »Und ich habe ihn getestet«, verkündete Wen.
    Auf der Rundwelt haben wir keine Geschichtsmönche – oder zumindest haben wir noch nie jemanden dabei erwischt, wie er diese Rolle spielte, aber könnten wir ihn überhaupt erwischen? –, doch wir haben eine Art historisches Narrativium. Wir haben den Spruch, dass sich »die Geschichte wiederholt« – beim ersten Mal als Komödie, beim zweiten als Tragödie* [* Karl Marx, aus dessen Schrift Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte der Ausspruch ursprünglich stammt, war über die Reihenfolge noch anderer Ansicht: »Hegel bemerkt irgendwo, dass sich alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.« – Anm. d. Übers. ], denn das Einzige, was wir aus der Geschichte lernen, ist, dass wir nie etwas aus der Geschichte lernen.
    Die Geschichte der Rundwelt gleicht der biologischen Evolution: Sie folgt Regeln, dennoch scheint sie sich aus der Bewegung heraus selbst zu erschaffen. Eigentlich sind es sogar ihre Regeln , die sie aus der Bewegung heraus zu erschaffen scheint. Auf den ersten Blick wirkt das mit der Existenz einer Dynamik unvereinbar, denn eine Dynamik ist eine Regel, die das System aus seinem gegenwärtigen Zustand in den nächsten führt, einen winzigen Augenblick weiter in die Zukunft. Dennoch muss es eine Dynamik geben, sonst könnten Historiker keinen Sinn in der Geschichte finden, nicht einmal im Nachhinein. Dito die Evolutionsbiologie.
    Die Lösung dieses Rätsels liegt in der seltsamen Natur der historischen Dynamik. Sie ist emergent. Emergenz ist eine der wichtigsten, aber auch erstaunlichsten Eigenschaften komplexer Systeme. Und sie ist für dieses Buch von Bedeutung, denn gerade die Existenz emergenter Dynamik bringt die Menschen dazu, Geschichten zu erzählen. Kurz gesagt: Wenn die Dynamik nicht emergent wäre, bräuchten wir keine Geschichten über das System zu erzählen, weil wir alle das System gemäß seinen eigenen Bedingungen verstehen könnten. Wenn die Dynamik jedoch emergent ist, ist eine vereinfachte, aber assoziationsreiche Geschichte die beste Beschreibung, auf die wir hoffen dürfen …
    Doch jetzt eilen wir unserer eigenen Geschichte voraus; fallen wir also ein Stück zurück und erklären, wovon die Rede ist.
    Ein herkömmliches dynamisches System hat einen expliziten, von vornherein festgelegten Phasenraum. Das heißt, es existiert eine einfache, exakte Beschreibung von allem, was das System überhaupt tun kann, und in gewissem Sinne ist diese Beschreibung im Voraus bekannt. Außerdem gibt es eine feststehende Regel oder Regeln, die den gegenwärtigen Zustand des Systems nehmen und in den nächsten Zustand überführen. Wenn wir beispielsweise das Sonnensystem aus klassischer Sicht zu verstehen versuchen, dann besteht der Phasenraum aus allen möglichen Positionen und Geschwindigkeiten der Planeten, Monde und anderen Himmelskörper, und die Regeln sind eine Kombination von Newtons Gravitationsgesetz und den Newton’schen Bewegungsgesetzen.
    Solch ein System ist deterministisch: Im Prinzip ist die Zukunft von der Gegenwart vollständig festgelegt. Die Logik geht geradeaus. Man beginnt mit dem gegenwärtigen

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