Die Philosophen der Rundwelt
spielen hat, aber eine weniger ambitionierte.
Ein komplexes System besteht aus einer (für gewöhnlich sehr großen) Anzahl von Wesenheiten oder Agenzien, die gemäß ihren spezifischen Regeln miteinander in Wechselwirkung stehen. Diese Beschreibung erweckt den Eindruck, als wäre ein komplexes System lediglich ein dynamisches System, dessen Phasenraum eine sehr große Zahl Dimensionen besitzt, eine oder mehrere pro Wesenheit. Das trifft zu, doch das Wort »lediglich« ist auf irreführende Art herablassend. Dynamische Systeme mit großen Phasenräumen können bemerkenswerte Dinge tun, viel bemerkenswerter als beim Sonnensystem.
Die neue Zutat in komplexen Systemen ist die, dass die Regeln »lokal« sind, gültig auf der Ebene der Wesenheiten. Im Gegensatz dazu sind die interessanten Eigenschaften des Systems selbst global, gültig auf der Ebene des Gesamtsystems. Selbst wenn wir die lokalen Regeln für Wesenheiten kennen, kann es unmöglich sein – praktisch oder prinzipiell –, die dynamischen Regeln für das Gesamtsystem abzuleiten. Das Problem dabei ist, dass die betreffenden Berechnungen nicht durchzuführen sind, entweder im schwachen Sinne, dass es viel zu lange dauern würde, oder im starken, dass man sie überhaupt nicht durchführen kann.
Nehmen Sie beispielsweise an, Sie wollten die Gesetze der Quantenmechanik verwenden, um das Verhalten einer Katze vorherzusagen. Wenn Sie das Problem ernst nehmen, müssten Sie die »quantenmechanische Wellenfunktion« für jedes einzelne subatomare Teilchen der Katze aufschreiben. Dies getan, wenden Sie die mathematische Regel an, die als Schrödingergleichung bekannt ist und von der die Physiker behaupten, dass sie den zukünftigen Zustand der Katze vorhersagt.* [* Schrödinger hat gezeigt, dass die Quantenmechanik oft alberne Antworten wie »Die Katze ist halb lebendig und halb tot« gibt. Seine Absicht war es, die Kluft zwischen der Beschreibung der Wirklichkeit auf Quantenniveau und der Welt, in der wir wirklich leben, zu veranschaulichen, doch die meisten Physiker verstanden ihn falsch und entwickelten komplizierte Erklärungen, wieso Katzen tatsächlich so seien. Und warum das Universum mit Bewusstsein begabte Beobachter brauche, um sicherzustellen, dass es weiterexistiere. Erst neulich ist ihnen aufgegangen, was Schrödinger meinte, und sie haben das Konzept der »Dekohärenz« entwickelt, welches zeigt, dass sich Überlagerungen von Quantenzuständen rasch in Einzelzustände umwandeln, wenn sie nicht vor Wechselwirkungen mit der Umgebung geschützt werden. Und das Universum braucht uns nicht, um nicht auseinander zu fallen, tut uns Leid. Siehe den Miniatur-Auftritt von Nanny Oggs Kater Greebo in Die Gelehrten der Scheibenwelt .]
Kein vernünftiger Physiker würde jedoch derlei versuchen, weil die Wellenfunktion viel zu kompliziert ist. Die Anzahl der subatomaren Teilchen in der Katze ist enorm; selbst wenn man ihre Zustände präzise messen könnte – was man natürlich sowieso nicht kann –, gibt es im Universum kein Blatt Papier, das groß genug wäre, um alle Zahlen zu notieren. Die Berechnung kann also nicht einmal anfangen, weil der gegenwärtige Zustand der Katze praktisch nicht in der Sprache von quantenmechanischen Wellenfunktionen zu beschreiben ist. Und erst die Wellenfunktion in die Schrödingergleichung einzusetzen – vergessen Sie’s.
Zugegeben, das ist keine vernünftige Art, das Verhalten einer Katze in einem Modell zu erfassen. Doch es macht deutlich, dass die üblichen Redensarten der Physiker, die Quantenmechanik sei »grundlegend«, höchstens in einem philosophischen Sinn wahr sind. Für unser Verständnis der Katze ist sie nicht grundlegend, obwohl sie von grundlegender Bedeutung für die Katze sein könnte.
Trotz diesen Schwierigkeiten bringen es Katzen für gewöhnlich fertig, sich wie Katzen zu verhalten, und insbesondere entdecken sie ihre eigene Zukunft, indem sie sie erleben. Unten auf der philosophischen Ebene wiederum kann das daran liegen, dass das Universum mit der Lösung der Schrödingergleichung viel besser zurecht kommt als wir und weil es keine Beschreibung der Wellenfunktion der Katze braucht: Es hat ja schon die Katze, und die ist , so gesehen, ihre eigene quantenmechanische Wellenfunktion.
Wir wollen das annehmen, obwohl das Universum höchstwahrscheinlich keinerlei Schrödingergleichungen oder dergleichen löst, wenn es eine Katze in die Zukunft fortführt. Die Gleichung ist ein Modell der Menschen, nicht
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