Die Philosophen der Rundwelt
Siliziumbasis hervorbrachte: das Computervirus. Alle Viren, die bisher gefunden wurden, scheinen vorsätzlich von Menschen programmiert worden zu sein, obwohl zumindest eines sich infolge eines Programmierfehlers als weitaus erfolgreicher bei der Vermehrung erwies, als sein Autor beabsichtigt hatte. Simulationen von »künstlichem Leben«, die sich weiterentwickelnde Computerprogramme verwenden, laufen oft innerhalb einer »Hülle«, die sie von der Außenwelt isoliert, da es zwar unwahrscheinlich, aber möglich ist, dass sich ein richtig widerwärtiges Computervirus entwickelt. Das Computernetz der Welt ist sicherlich komplex genug, um seine eigenen Viren zu entwickeln, wenn man ihm nur genug Zeit lässt.
Meme sind Geist-Viren.
In Die Macht der Meme schreibt Susan Blackmore, dass Meme sich »ringsum verbreiten, ohne Unterschied, ob sie nützlich, neutral oder entschieden schädlich für uns sind«. Das Lied »Happy birthday to you« ist größtenteils harmlos, obwohl es gerade noch möglich ist, es als heimtückisches Stück Propaganda für allumfassenden Kommerz zu betrachten, wenn man dazu neigt. Reklame ist ein bewusster Versuch, Meme loszulassen; eine erfolgreiche Werbekampagne kommt in Fahrt, während sie sich von Mund zu Mund oder auch direkt über Fernsehwerbung und Zeitungsanzeigen verbreitet. Manche Reklame ist allgemein von Nutzen (sagen wir, Oxfam) und manche ist offensichtlich schädlich (Tabak). Eigentlich sind viele Meme schädlich, breiten sich aber trotzdem sehr wirksam aus: Dazu gehören Kettenbriefe und ihr finanzielles Analogon, der Strukturvertrieb. So, wie sich die DNS fortpflanzt, ohne bewusst eigene Ansichten zu verfolgen, vermehren sich Meme ohne einen bewussten Zweck. Die Menschen, die die Meme losgelassen haben, hatten vielleicht eindeutige Absichten, doch die Meme selbst haben keine. Diejenigen, die tüchtig sind und den Geist vieler Menschen veranlassen, sie in großer Menge weiterzugeben, gedeihen; die anderen sterben aus oder leben bestenfalls als kleine, isolierte Infektionsherde weiter. Die Ausbreitung eines Mems ähnelt sehr der einer Krankheit. Und so, wie man sich mit den richtigen Vorsichtsmaßnahmen gegen manche Krankheiten schützen kann, kann man sich dagegen schützen, von einem Mem infiziert zu werden. Die Fähigkeit, kritisch zu denken und Aussagen in Zweifel zu ziehen, die sich auf Autorität statt auf Beweise stützen, ist ein ziemlich guter Schutz.
Dies ist unsere Botschaft an Sie. Sie brauchen der Macht der Geschichten nicht zum Opfer zu fallen wie der Quisitor Vorbis, der von einer herabfallenden Schildkröte erschlagen wird, vom Zorne Oms. Sie können eine Oma Wetterwachs sein, die wie eine Meisterpilotin durch den Geschichtenraum segelt, auf jeden Hauch des narrativen Windes eingestimmt (und davon gibt es eine Menge, wohlgemerkt), frei und unabhängig gegen den Sturm anrennend, die Untiefen des Dogmas und die Scylla und Charybdis der Unentschlossenheit vermeidend …
Entschuldigung, wir haben uns fortreißen lassen. Was wir meinen, ist dies: Wenn Sie die Macht der Geschichten verstehen und lernen, ihren Missbrauch zu erkennen, könnten Sie wirklich die Bezeichnung Homo sapiens verdienen.
Blackmores Buch zufolge können viele Aspekte der menschlichen Natur viel besser durch die Memetik erklärt werden, durch die Mechanismen, nach denen Meme existieren und sich fortpflanzen, als durch jede vorhandene konkurrierende Theorie. In unserer Terminologie erhellt die Memetik die Komplizität zwischen Intelligenz und Extelligenz, zwischen dem individuellen Geist und der Kultur, von der er nur ein winziger Teil ist. Manche Kritiker entgegnen, dass die Memetiker nicht einmal zu sagen vermögen, welches die Grundeinheit von einem Mem ist. Sind zum Beispiel die ersten vier Noten von Beethovens Fünfter Symphonie (Da-da-da-DAA) ein Mem, oder ist das Mem in Wahrheit die ganze Symphonie? Beide vermehren sich erfolgreich: das Zweite im Geist der Musikliebhaber, das Erste im Geist einer unglaublichen Vielzahl von Leuten.
Diese Art Kritik hat jedoch niemals viel Gewicht, wenn eine neue Theorie entwickelt wird. Was die Kritiker natürlich nicht hindert. Wenn eine wissenschaftliche Theorie ihre Konzepte erst einmal vollkommen präzise »definieren« kann, ist sie tot. In Wahrheit können sehr wenige Konzepte vollständig definiert werden, nicht einmal so etwas wie »lebendig«. Was exakt bedeutet »groß«? »Reich«? »Nass«? »Überzeugend«? Oder erst recht »Graupel«. Wenn es
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