Rettungskreuzer Ikarus Band 004 - Die Spielhölle
1.
»Was ist das?«
Jason Knight ließ sich nicht von Shillas Stimme in seinem Kopf stören.
»Später«, dachte er knapp, während er das Gespräch
mit dem Tal-Ymir ohne Unterbrechung fortsetzte und ein kleines, unscheinbares
Päckchen aus einer der vielen Innentaschen seines Mantels fischte: »Du
wirst zufrieden sein, mein Freund. Ich habe das beste und preiswerteste –«
»Jason.«
Wenn Shilla so beharrlich blieb und ihn bei der Abwicklung eines einträglichen
Geschäfts störte, hatte sie triftige Gründe. Jason seufzte und
klopfte seinem walzenförmigen Gegenüber, der ihm nur knapp bis zur
Mitte reichte, auf das, von dem er annahm, es wäre dessen Schulter. »Einen
Augenblick, mein Bester. Die Lady hat Sehnsucht nach mir.«
Der Tal-Ymir blubberte ein »ich warte« und machte sich daran, genüsslich
sein Krakigelee auszuschlürfen.
Langsam drehte sich Jason zu Shilla um, die neben ihm an der bunt glitzernden
Bar lehnte und gelangweilt mit dem überlangen, reich dekorierten Plastikhalm
ihres neongelben Getränks spielte.
Obwohl die Luftumwälzungsanlage auf Hochtouren arbeitete, zogen Rauchschwaden
an ihren Gesichtern vorbei, verursacht von den Ausdünstungen der Druckanzüge
einiger nichtsauerstoffatmender Spezies, den glimmenden Anregungs- und Rauschmitteln,
die von anderen Besuchern inhaliert wurden, und von diversen nicht näher
definierbaren Dingen.
Natürlich hätte Jason Nasenfilter wie Shilla tragen können, aber
für ihn gehörten die würzigen Gerüche und das eigenartig
leichte Gefühl, das der Drogencocktail in der Atmosphäre hervorrief,
einfach zu Elysium , und er wollte diese Eindrücke nicht missen.
Obgleich er häufig die Raumstation, die ein bekanntes Paradies für
Vergnügungssüchtige aller Völker darstellte, anflog, da er dort
seine speziellen Waren leicht an Kunden bringen konnte, war jeder Aufenthalt
doch immer etwas Besonderes.
Elysium war einer der exotischsten Orte des ihm bekannten Universums,
ein Tummelplatz der unterschiedlichsten Lebensformen, eine Lokalität für
mehr oder minder legalen Handel, für ausgefallene Genüsse, riskante
Spiele, verbotene Drogen, wunderschöne Frauen – oder was man sonst
begehrte. Kurz: Hier gab es alles, was man sich nur vorstellen oder nicht vorstellen
konnte.
Ein einziges Mal war Jason selbst den Verlockungen Elysium s erlegen.
Binnen dreier Tage hatte er die Einnahmen eines Vierteljahres verprasst und
die Kasse des Zuhälterrates klingeln lassen. Lediglich ein winziger Funken
Verstand hatte ihn davor bewahrt, auch noch sein Schiff, die Celestine ,
zu verlieren. Nachdem Jasons Rausch verflogen war und er keinen Credit mehr
besaß, hatte ihn keiner von all den guten Freunden und anhänglichen
Mädchen mehr gekannt. Reumütig war er an Bord der Celestine geschlichen und abgeflogen. Wie übel ihm tatsächlich mitgespielt worden
war, entdeckte er allerdings erst drei Wochen später, als ihm die Medeinheit
eröffnete, dass ein gemeiner Virus bemüht war, ihm die diesbezüglichen
Freuden zu verleiden.
O ja, man konnte hier alles bekommen, auch Dinge, die man sich nicht wünschte.
Eigentlich wurden die elysischen Liebesdiener regelmäßig kontrolliert
und erhielten nur dann eine Arbeitserlaubnis, wenn sie kerngesund waren, doch
genauso, wie man gewisse Waren hineinschmuggeln oder die Kontrolleure bestechen
konnte, war es ein Leichtes, die diversen Krankheiten zu verbergen oder die
Medeinheiten zu umgehen. Offenbar hatte ein Mädchen noch einige creditbringende
Freier benötigt, um die eigene Behandlung bezahlen zu können. Jason
hatte schlicht und einfach Pech gehabt.
Zwar verspürte er immer wieder den Reiz der Versuchung, wenn er an die
herrlichen Vergnügungen dachte, die hier geboten wurden, aber dieser Virus
hatte ihn fast völlig ... geheilt.
Jason schob die zerknautschte Schirmmütze zurecht, die sein kragenlanges,
feuerrotes Haar aus der Stirn hielt. »Also?«
Die blauhäutige Vizianerin erwiderte Jasons fragenden Blick aus violetten,
fast schwarzen Augen. Ihre langen Locken schimmerten nur um eine Nuance heller
und umschmeichelten ihre sanft gerundeten Schultern, die von dem glänzenden
Stoff des hautengen, silbernen Anzugs ausgespart wurden. »Hörst du
das nicht?«
Die Vizianer kommunizierten telepathisch und verfügten lediglich über
rudimentäre Stimmbänder, was darauf schließen ließ, dass
ihre Sprechwerkzeuge
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