Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
einzusperren. Und Jimmy ist verschwunden.« Summer grinste höhnisch.
Ich erstarrte. »Was?«
Summer sah so aus, als hätte sie ein faules Ei verschluckt. »Nichts«, sagte sie, aber ihre Stimme klang erstickt.
»Ich dachte, der Plenus-luna-malum-Zauber ist ein Sexzauber.«
»Nein, mein Kind«, sagte Ruthie. »Da geht es nur um Liebe.«
»Wusste Jimmy, dass es ein Liebeszauber ist?«
Summer presste die Lippen aufeinander. Sie würde es mir sicher nicht sagen.
»Natürlich«, murmelte Ruthie.
Ich dachte an jene Nacht, an die Kerzen und das Räucherwerk, wie seltsam es gewesen war, dass Jimmy sie benutzt hatte.
»Rosa Kerzen«, platzte ich heraus.
Summer starrte vor sich hin; Luthers Augenbrauen schossen in die Höhe.
»Beschwören Erinnerungen herauf«, sagte Ruthie.
Jimmy hatte versucht, die Erinnerungen an unsere Liebe zurückzuholen. War er sich seiner oder meiner Gefühle nicht sicher gewesen?
»Liebe ist stärker als Hass«, sagte Ruthie. Sie glaubte zwar unerschütterlich daran, doch ich hatte immer noch starke Zweifel. »Und Sex mit Liebe«, fuhr Ruthie fort, »ist die mächtigste Art der Magie.«
Ich schluckte gegen die plötzliche Enge in meinem Hals an. Jimmy liebte mich noch.
Kein Wunder, dass Summer mich tot sehen wollte.
Diesem Gedanken folgte ein anderer auf den Fersen. Summer und Jimmy hatten diesen Zauber ebenfalls zusammen benutzt. Offenbar liebte er sie auch.
Ich konnte nicht allzu wütend sein. Dass wir alle überhaupt noch am Leben waren, lag doch nur daran, dass auch ich noch einen anderen liebte, nämlich …
»Sawyer.«
»Er wird bei einem Liebeszauber keine große Hilfe sein«, gab Summer zu bedenken. »Wenn man bedenkt, dass er versucht hat, dich zu töten.«
Mit einem übertrieben nachdenklichen Gesichtsausdruck legte sie den Kopf schief. »Aber hat er dich jemals geliebt? Oder hast nur du ihn geliebt?«
In diesem Punkt war ich mir selbst nie sicher gewesen. In diesem Augenblick gab es allerdings wichtigere Fragen für mich. »Wo ist er?«
»Hat sich in einen Wolf verwandelt und … «, Luthers riesige Hände wurden auf sehr Ruthie-artige Weise nach oben geworfen, »… ist in die Berge verschwunden.«
»So ein Mist«, murmelte ich. Dort würden wir ihn niemals finden.
»Ich hatte ja versucht, dich zu warnen«, sagte Ruthie.
»Konsequenzen.« Ich holte tief Luft. »Er ist nicht derselbe.«
»Er ist genau das, was er immer war.«
Ich sah auf. »Du hast ihn gesehen. Er ist … «
»Ein Fellläufer, mein Kind. Er war immer hart an der Grenze. Das Einzige, was ihn von der dunklen Seite ferngehalten hat, warst du.«
»Und jetzt ist er hinübergewechselt?«
Luthers langer Finger glitt sanft an meinem Hals hinab und tauchte dann, mit Blut bedeckt, vor meinem Gesicht auf. »Was glaubst du?«
»Dass er sauer auf mich ist, muss nicht heißen, dass er auf die dunkle Seite gegangen ist«, murmelte ich.
»Ich würde sagen, dir die Kehle rauszureißen und dich dann zum Sterben zurückzulassen, geht über bloßes Sauersein ein ganzes Stück hinaus«, gab Ruthie zurück.
Da musste ich ihr zustimmen.
»Hast du von ganz oben irgendetwas dazu gehört?«, fragte ich.
In Luthers intelligentem, jungem Gesicht zog Ruthie die Brauen über ihren alten, weisen Augen zusammen. »Was glaubst du denn, warum ich dem Jungen Fellläufer zugeflüstert habe? Sawyer ist jetzt mehr ein Nephilim als ein Mensch.«
»Gute Arbeit, Ace«, sagte Summer halblaut.
»Darf ich sie treten?«, fragte ich.
Niemand antwortete. Es war sowieso eine rhetorische Frage gewesen.
Luther wandte den Kopf zum vorderen Fenster, als dort Scheinwerfer aufleuchteten.
»Was ist das?«, fragte ich.
Ruthie atmete tief ein und ließ die Luft langsam wieder ausströmen. »Keine bösen Schwingungen.« Sie presste die Lippen zusammen. »Aber es gefällt mir trotzdem nicht.«
Mir gefiel es ebensowenig. Es war schon spät. Und wir befanden uns mitten im Nirgendwo.
Steine knirschten unter den Reifen. Erst gingen die Lichter aus, dann der Motor.
»Ich geh hin.« Luther war wieder da.
»Von wegen.« Ich streckte die Hand nach ihm aus. Sein Löwe knurrte.
»Wir gehen alle zusammen oder gar nicht«, sagte er.
»Okay«, schnappte ich.
Ich folgte ihm in den Flur, Summer hinter mir. Dort stellten wir fest, dass die Vordertür aus ihren Angeln gerissen worden war.
Sawyer. Er hatte schon immer eine Schwäche für große Abgänge gehabt.
Ich stand zwischen den beiden, Schulter an Schulter, auf der Veranda, als zwei
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