Die Phoenix Chroniken: Fluch (German Edition)
meinem Geist, meinem Herzen und meiner Seele spüren.
Irgendwo im Haus hörte ich ein wütendes Knurren, gefolgt von einigen heftigen, dumpfen Schlägen und dem Splittern von Glas.
Im nächsten Augenblick schon war ich an der Tür. Erst nach dem dritten vergeblichen Versuch, sie aufzureißen, fiel mir das Schloss wieder ein. Dann rannte ich den Flur entlang und schlitterte ins Wohnzimmer, wo jetzt statt zwei drei Menschen standen.
»Ich wusste, dass ich es kann«, murmelte ich.
»Bist du irre?«, fragte Summer in einem fast normalen Tonfall.
Ich achtete jedoch gar nicht auf sie. Ich war so verdammt froh, Sawyer zu sehen, dass mir die Knie zitterten.
»Gott sei Dank«, flüsterte ich und lief auf ihn zu.
»Warte«, sagte Luther halblaut. Etwas in seiner Stimme ließ mich anhalten. Luthers leuchtend bernsteinfarbene Augen waren fest auf Sawyer gerichtet, er blähte die Nüstern und spannte jeden einzelnen Muskel an. Die widerspenstigen Locken wurden von einem unmöglichen Windhauch bewegt. »Ruthie sagt Fellläufer «.
»Das wissen wir.« Ich nahm mir nicht die Zeit, mich zu fragen, warum Ruthie uns etwas zweimal sagte – das tat sie sonst nie – , sondern ging wieder auf Sawyer zu. Ich blieb gut einen Meter von ihm entfernt stehen, als der Hauch, den es nicht gab, seinen Geruch zu mir herübertrug.
Keine Bäume und Gräser, kein Wind und Wasser mit einem Hauch von Rauch, sondern Asche, Glut, heiße Kohlen und Flammen.
»Sawyer?«, flüsterte ich.
Er neigte den Kopf, als hätte er den Namen wiedererkannt, vielleicht auch meine Stimme – und dann sah ich ihn von oben bis unten an. Er hatte Tattoos an den richtigen Stellen, und ich konnte sie alle sehen, da er – wie gewöhnlich – nackt war. Aber seine Haut war blass, seine Augen dunkel – die grauen Iris verschwanden unter seinen geweiteten, ebenholzschwarzen Pupillen. Sein Haar, normalerweise glatt und geschmeidig, war jetzt schweißnass und wirr. Er wirkte fast wie ein Wilder, sogar schon, bevor das tiefe, primitive Knurren aus seiner Kehle polterte.
So schnell wie eine Schlange schlug er zu, packte mich an der Kehle und schleuderte mich gegen die nächste Wand. Mein Schädel brach. Ich sah Sterne. Meine Füße baumelten einige Zentimeter über dem Boden, denn Sawyer hielt mich mit nur einer Hand in die Höhe. Er war schon immer wahnwitzig stark gewesen.
»Lass sie runter«, befahl Summer.
Ein Wink aus seinem freien Handgelenk schleuderte sie aus dem Fenster.
Ich wurde auf eine Bewegung aufmerksam. Luther. Er schlich sich von hinten an und hielt ein Silbermesser in der Hand, das nichts bewirken würde, mit der einen Ausnahme, Sawyer wütend zu machen. Der wirkte aber ohnehin schon wütend genug.
»Nein«, krächzte ich, woraufhin Sawyer seine Finger fester um meinen Hals schloss, bis ich leuchtende, schwarze Punkte sah. Luther erstarrte.
»Wer … «, Sawyer stieß meinen Kopf wie zur Bekräftigung gegen die Wand, »… bist du?«
Seine Stimme klang so heiser, als hätte er tagelang geschrien und gerade eben erst seine Sprache wiedergewonnen.
»Liz«, antwortete Luther. »Sie ist Liz Phoenix. Erinnerst du dich nicht mehr?«
Luther sprach, wie man mit einem wilden, reißenden Tier spricht, und bei dem Eindruck, den Sawyer gerade machte, war das wohl auch eine verdammt gute Idee.
Sawyer starrte mir ins Gesicht, und eine Art Erkennen flackerte in seinen gespenstisch schwarzen Augen auf. Ich versuchte zu lächeln, etwas zu sagen, doch beides war unmöglich. Was ich wirklich dringend tun musste, war zu atmen.
»Ich erinnere mich an dich«, murmelte er.
Dann riss er mir die Kehle heraus.
35
I ch hatte es wohl verdient. Auge um Auge. Ich bring dich um, du bringst mich um. Rache. Vergeltung. Was auch immer.
Nicht, dass ich hätte sterben können. Noch nicht. Ich hatte noch zu viel zu erledigen.
Der Blutstrahl aus meiner Arterie traf Sawyer genau zwischen die Augen. Keine Ahnung, ob er mich sonst losgelassen hätte.
Ich sackte auf dem Boden zusammen und war für ein oder zwei Sekunden völlig weg. Ein Donnerschlag wie von einer Kanone holte mich schließlich zurück. Ich nahm den Geruch von Ozon und eine Bewegung wahr, dann wurde die Totenstille vom Brüllen eines Löwen unterbrochen. Ich versuchte, aufzustehen und Luther davon abzuhalten, Sawyer zu folgen. Sawyer war nicht er selbst. Vorher war er gefährlich gewesen, jetzt war er geradezu tödlich.
Und ich hatte ihn zum Leben erweckt.
Bei dem Versuch, auf die Füße zu
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