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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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Vergangenheit zurück.
    So viel Schreckliches war geschehen. Tod und Krankheit hatten Leid und Pein gebracht.
    Obwohl ein gesunder Mann in der Blüte seiner Jahre, war ihr Gemahl dem tödlichen Fieber erlegen. Kurz kam Leonor der Gedanke in den Sinn, wie seltsam es doch war, dass Kniebis nicht daran gestorben war – und, was noch viel unglaublicher war, die geschwächte Cathérine, doch er verschwand ebenso schnell wieder, wie er gekommen war.
    Leonor hob den Kopf und blickte zu den beiden Männern, die bereits einen Gutteil der Mahlzeit vertilgt hatten und sich das Bier schmecken ließen. Oh, vor welch schreckliche Wahl war sie gestellt! Obwohl sie sich für eine gute Christin hielt, glaubte sie, dass das Leben hinter Klostermauern nur Bitterkeit für sie bereithalten würde. Es musste doch noch einen anderen Weg geben, ihre Schuld zu sühnen …
    In diesem Augenblick fuhr Lothar sich mit dem Ärmel seines aus feinstem Linnen gewebten Hemdes über die fettigen Lippen, rülpste und ließ seinen Blick über die Witwe seines Halbbruders schweifen. Kurz hatte er erwogen, sie nunmehr selbst zur Frau zu nehmen. Doch sie war nicht mehr unberührt und, wie er fand, zu mager, und außerdem sah die Kirche es nicht gern, wenn man die Witwe seines Bruders ehelichte, selbst wenn es sich wie in seinem Fall nur um den Halbbruder handelte.
    „Meinem Geschmack entsprichst du zwar nicht, Schwägerin, denn ich bevorzuge Weiber, die üppig gebaut sind. Aber du bist noch keine zwanzig. Zwar keine Jungfrau mehr, jedoch gibt es gewiss etliche Herren gesetzteren Alters, die bereit wären, dich zur Frau zu nehmen.“ Er rülpste erneut, warf einen Blick auf Pater Ferfried, der gerade genüsslich an einem Stück Schinkenschwarte kaute, und fuhr fort: „Da wäre zum Beispiel Ritter Johann von Augustenburg. Er ist nicht mehr der Jüngste, aber noch im guten Mannesalter und in der Lage, dir ein Kind zu machen.“
    Trotz ihres Kummers wallte wie schon am Tag zuvor Zorn in Leonor auf. Sie straffte die Schultern und funkelte Lothar wutentbrannt an. Lieber würde sie vom Turm des Münsters springen und in der Hölle schmoren, als diesen widerlichen Menschen zu heiraten. Ein einziges Mal war er Gast auf Burg Eschenbronn gewesen und hatte sich dabei dermaßen unflätig verhalten, dass es ihr noch heute grauste. Zudem war er älter als ihr Vater, feist und übel riechend und hatte nur noch wenige Zähne. „Mit Verlaub, Schwager …“, begann Leonor. Doch schon fiel Lothar ihr, wie es seine Art war, ein weiteres Mal ins Wort.
    „Was meint Ihr, Pater?“, wandte er sich an den Burgkaplan. „Nun sagt doch auch einmal ein Wort in dieser Angelegenheit.“
    Pater Ferfried würgte das letzte Stück Schinken hinunter. „Herr Graf, als Mann der Kirche sehe ich Eure Schwägerin, die edle Gräfin Leonor, natürlich am besten im Kloster aufgehoben. Dort wird für ihr Wohl und das ihrer unsterblichen Seele bestens gesorgt sein.“ Genüsslich strich er sich über den prall gefüllten Leib, wohl wissend, dass die Kost in Hildegardis’ Stift überaus mager war. „Sollte der hohen Dame … ähem … der Sinn allerdings nach mehr weltlichen Vergnügungen stehen, so wäre gewiss der Baron Attenfels ein geeigneter Freier …“
    „Ah ja, der Baron. Er hat angedeutet, er würde auf eine Mitgift verzichten und sogar ein nettes Sümmchen für Euch springen lassen“, tat Lothar kund.
    Abrupt erhob Leonor sich von ihrem Lehnstuhl. Das reichte! War Ritter Johann bereits abstoßend, so konnte man den Baron nurmehr verabscheuenswürdig nennen. „Graf Eschenbronn …“, sie neigte spöttisch den Kopf, „… Pater! Ich bedarf der Ruhe. Habt die Güte, und entfernt Euch nun. Sobald als möglich werde ich dir, Schwager, meine Entscheidung mitteilen.“ Leonor unterdrückte die Tränen, die ihr in die Augen schossen, und sank zurück auf ihren Stuhl. Als hätte sie die getreue Anna gerufen, trat diese ein und eilte zu ihr.
    Wiederum mit den Spitzen seiner Schnabelschuhe kämpfend, schlidderte Lothar zur Tür, gefolgt von Pater Ferfried, der sich noch schnell ein Stück Käse vom Servierbrett stibitzt hatte.

3. KAPITEL
    R obyn de Trouville ging federnden Schrittes den langen, von Fackeln erhellten Gang im Louvre entlang, den König Charles V. vor nicht allzu langer Zeit von einer Festungsanlage zu einer königlichen Residenz hatte umbauen lassen. Den prachtvollen Tapisserien, die die glatt behauenen steinernen Wände schmückten, schenkte er keinen Blick. Vor einer

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