Die Pilgergraefin
griff sich an den Hals, den die fein ziselierte Silberkette schmückte, die Konrad ihr zur Geburt seines Stammhalters geschenkt hatte und die sie niemals ablegte. Gab es eine Möglichkeit, den widerlichen Baron, der bereits zweimal verwitwet war und dem man nachsagte, beim Tod seiner beiden Gemahlinnen seine Hand im Spiel gehabt zu haben, fortzuschicken? Wohl kaum. Immerhin bliebe ihr als letzter Ausweg noch der Gang ins Kloster. Mochte das Dasein hinter hohen Mauern auch leer und freudlos sein, drohte ihr dort wenigstens keine Gefahr für Leib und Leben. Und bot Sicherheit vor den gierigen Händen eines lüsternen Mannes …
„Führ ihn herein, Anna, und kredenze ihm einen Pokal Rheinwein.“
Ganz in blutroten Sammet gehüllt, betrat wenig später Baron Attenfels das Gemach. Im Gegensatz zu dem unmanierlichen Ritter Johann von Augustenburg bot er eine durchaus gepflegte, stattliche Erscheinung, deren Attraktivität jedoch durch das starke Schielen gemindert wurde. Ebenso wie durch die schmalen Lippen, die, zu einem Lächeln verzogen, spitze Eckzähne entblößten. Nach höfischer Manier entbot er Leonor seinen Gruß.
Ein kaltes Feuer in den eisblauen Augen, musterte Attenfels die schmale Gestalt in dem schlichten dunklen Gewand, unter dem sich fast kein Busen abzeichnete. In der Tat, sie war überaus zierlich und wirkte sehr zerbrechlich – umso besser! Und sie hatte eine zarte weiße Haut, auf der sich blaue Flecken und rote Striemen besonders hübsch ausmachen würden … Allein bei dem Gedanken spürte er ein verheißungsvolles Ziehen in den Lenden. Schon seitdem sie als Braut nach Eschenbronn gekommen war, gelüstete es ihn nach der schönen Gräfin. Doch während ihrer Ehe war sie außer Reichweite für ihn gewesen.
Jetzt war seine Stunde gekommen!
Leonor erwiderte seinen Gruß mit einem kurzen Nicken und deutete auf den Scherenstuhl. „Man wird Euch sogleich eine Erfrischung servieren, Baron. Was kann ich für Euch tun?“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, wusste sie auch schon, dass sie die falschen gewählt hatte, sah sie doch, wie sich daraufhin das wölfische Grinsen des Mannes noch vertiefte. Und seine Augen … Sie glitzerten nicht nur kalt wie Eis, sondern blickten auch noch in verschiedene Richtungen. Fast tat der Besucher ihr leid. Doch sie wusste, der Baron kannte kein Erbarmen – weder mit Tieren noch mit Menschen. Wie ihr zu Ohren gekommen war, peitschte er seine Pferde bis aufs Blut, und einer seiner Knechte war an den Folgen von Stockhieben gestorben. Und das nur, weil er einen Krug Bier entwendet hatte.
Und mit diesem Ungeheuer wollte ihr Schwager sie vermählen!
Während Anna wenig später den Rheinwein servierte, dachte Leonor fieberhaft nach. Wie konnte sie den Baron nur davon abhalten, ihr einen Antrag zu machen? Denn just zu diesem Zweck war er wohl gekommen, das konnte sie anhand der Pracht seiner Kleidung schließen. Nichts, aber auch gar nichts wollte ihr einfallen. Endlich kam ihr ein Gedanke …
Genüsslich trank Kuno von Attenfels den starken Wein. Er stieg ihm ein wenig zu Kopf, sodass er sich nicht lange mit blumigen Vorreden aufhielt, sondern gleich herausplatzte: „Bezaubernde Gräfin, Eure Anmut und Euer Liebreiz haben mein Auge betört. Euer Schwager ist bereit, Euch mir zur Gemahlin zu geben. Erweist mir die Ehre, mich zu erhören, und werdet die Meine.“
Sprachlos griff Leonor sich an den Hals und spürte dabei wieder ihre silberne Kette. Sie spendete ihr die Kraft und den Mut, ihm zu entgegnen: „Baron, Euer Wunsch, mich zu ehelichen, ehrt mich. Indes muss ich Euch gestehen …“
„Ich liebe Geständnisse“, unterbrach Kuno sie, wobei ihm im Geiste eiserne Fesseln und anderes Gerät vor Augen erschienen. „Fahrt fort, meine Liebe.“
Leonor schluckte. Wiederum griff sie sich an die Kehle. „Gewiss werdet Ihr von Eurer zukünftigen Gemahlin …“, sie schluckte erneut, „… Kinder erwarten. Und die kann ich Euch nicht schenken.“
Das war eine Lüge, denn nach Konradins Geburt hatte die Hebamme nichts dergleichen verlauten lassen. Aber Leonor hoffte von ganzem Herzen, dass die Aussicht auf eine kinderlose Ehe den Baron von seinem Vorhaben abbringen würde.
Wieder dieses Lächeln, das die spitzen Eckzähne entblößte.
„Verehrte Gräfin, nur Ihr seid es, die ich begehre.“ Zweideutig fuhr er fort: „Alles, was Ihr tut, wird ein Geschenk für mich sein.“ In einer zufriedenen Geste strich er sich über das Kinn und redete salbadernd
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