Die Pilgergraefin
von zwei Wächtern flankierten Tür machte er Halt. Die beiden nickten ihm zu, denn er war ihnen wohl bekannt. Denn es war nicht das erste Mal, dass er zum König gerufen wurde.
Einer der Wachmänner öffnete ihm, und Robyn betrat das Vorzimmer, in dem bereits einige Herren und Damen darauf warteten, zum Herrscher Frankreichs, der sich den Beinamen „der Weise“ erworben hatte, vorgelassen zu werden. Alle waren nach der neuesten Mode und in teure Tuche wie Sammet oder Baldekin gekleidet.
Amüsiert nahm Robyn zur Kenntnis, dass der kurze Scheckenrock, der derzeit en vogue war und kaum die Schenkel bedeckte, den beleibteren Herren nicht zum Vorteil gereichte. Er selbst trug, wie so oft, eine knielange einfache schwarze Tunika mit bronzefarbenen Bordüren, die, so hatte ihm einmal ein Edelfräulein geschmeichelt, ausgezeichnet zur Farbe seines kastanienbraunen Haares passten. Auch seine Beinlinge, die seine schlanken, doch kraftvollen Schenkel umschlossen, waren in schlichtem Schwarz gehalten.
Die anwesenden Damen wetteiferten mit ausgefallenen Hauben und tiefen Ausschnitten darum, die meiste Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Was ihn betraf, entgingen Robyn die neidischen Blicke der Edelmänner ebenso wenig wie die bewundernden der Démoiselles. Doch derlei Blicke war er gewohnt, sei es von höfischen Festen oder von Turnieren, vor deren Beginn die adligen Fräuleins darum buhlten, welche von ihnen ihm ihr Tüchlein überreichen durfte, damit er es für alle sichtbar an seiner Lanze befestigte. Er wusste, nicht nur sein stattliches Äußeres, nein, auch seine Siege im ritterlichen Wettkampf ließen das Herz der Damen höher schlagen. Sein eigenes hatte er jedoch noch niemals verschenkt – und durfte es auch nicht.
Für die Gabe des guten Aussehens war er seinem Schöpfer dankbar, machte sich aber weiter keine Gedanken darüber. Was hingegen seine Turniersiege betraf, so hatte er hart an sich gearbeitet, um einer der erfolgreichsten Kämpfer zu werden – nicht nur wegen des Ruhms, sondern auch wegen der dafür ausgesetzten Preisgelder. Denn als jüngster Sohn des Comte de Trouville, der weder Titel noch Land erben würde, blieben ihm nicht viele Möglichkeiten, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die in solchen Fällen vorgesehene geistliche Laufbahn hatte er nicht einschlagen wollen, und so hatte er versucht, sich auf andere Weise hervorzutun – was ihm auch gelungen war.
Robyn begrüßte die anwesenden Herren mit einer leichten Verbeugung und lächelte den Damen galant, aber unverbindlich zu. Einigen stieg eine leichte Röte in die Wangen, anderen stand das Begehren geradezu ins Gesicht geschrieben.
Kaum öffnete sich die Tür zum Audienzzimmer des Königs, als sich Humbert de Brest, der ranghöchste der Wartenden, auch schon anschickte, sich zu Charles V. zu begeben. Doch der Wachmann schüttelte den Kopf und bedeutete stattdessen Robyn einzutreten.
Ungeachtet der feindseligen Miene des Zurückgesetzten, ging Robyn in das Gemach, in dem der Herrscher Frankreichs Audienz hielt.
Höflich verbeugte er sich vor dem Duc de Montmorillon, als er an ihm vorbeischritt, denn ihm verdankte er die Huld des Königs. Vor einigen Jahren hatte er eine delikate Angelegenheit für den Herzog auf unblutige und diplomatische Art und Weise aus der Welt geschafft. Überaus zufrieden mit dem Ergebnis hatte der Duc dem König davon berichtet. Daraufhin hatte Robyn zuerst kleine, dann immer bedeutsamere Missionen für den Herrscher, dessen Vertrauen er gewonnen hatte, ausführen dürfen.
Vor dem Podest angekommen, beugte er das Knie vor seinem Souverän, der ohne Krone, nur mit einem schlichten Goldreif um die Stirn, da es sich um keinen offiziellen Empfang handelte, auf seinem Thronsessel saß. Zu seiner Rechten stand der Kardinalprimas von Frankreich, zu seiner Linken sein oberster Ratgeber. Robyn verbeugte sich vor den beiden hohen Herrn, doch Charles bedeutete ihm, näher zu kommen, und sprach ihn huldvoll an: „Robyn de Trouville, mein getreuer und, wie ich höchst erfreut feststellen kann, erfolgreichster Geheimkurier: Ich habe einen neuen und überaus wichtigen Auftrag für Euch.“
„Baron Attenfels möchte Euch seine Aufwartung machen.“ Mitleidig sah Anna ihre junge Herrin an. Wie gern hätte sie Leonor, die immer gut zu ihr gewesen war, geholfen. Doch was konnte sie, die einfache Kammerfrau, schon ausrichten, wenn ein Graf und ein Baron einen Handel tätigten, der beiden Seiten Vorteile versprach?
Leonor
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