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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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Essbarem. Tatsächlich entdeckte sie noch einen harten Kanten Brot und ein Stück Käse, das allerdings fast nur noch aus Rinde bestand. Hatte sie sich jemals darüber beklagt, dass Brot und Käse auf dem täglichen Speiseplan der Pilger standen? Jetzt dünkte sie nichts köstlicher. Nun, um den größten Hunger zu vertreiben, mochte es reichen. Doch wie sollte es weitergehen? Sofern sie nicht jenseits der Passhöhe beim Abstieg auf eine Sennhütte stießen, würden sie in dieser abgelegenen Bergregion elendiglich verhungern. Es gab nicht einmal Sträucher mit Beeren in dieser Höhe, und auf den kargen, mit Felsbrocken übersäten Matten wuchs nur ein wenig Gras und Moos.
    Leicht gestärkt und erfrischt, brachte Leonor nun das Thema zur Sprache, das sie während des beschwerlichen Aufstiegs in der Hitze vermieden hatte – und das nicht nur, weil ihr die steile Höhe beinahe den Atem geraubt hatte, sondern auch, weil sie diejenige gewesen war, die die Entscheidung getroffen hatte, diesen Pfad zu nehmen, statt ins Tal hinabzugehen.
    „Nun steht es ja wohl unumstößlich fest, dass ich mich für den falschen Weg entschieden habe. Ich fürchte, Pater Anselm und die Pilgergefährten haben den anderen gewählt. Trotzdem ist es seltsam, dass sie keinen Suchtrupp nach uns ausgeschickt haben.“
    Anna nickte bedrückt. „Da habt Ihr habt wohl recht, Herrin. Pater Anselm werden wir in diesem Leben gewiss nicht mehr begegnen.“ Sie schlug das Kreuzzeichen. „In der Tat überaus merkwürdig, dass er keinen Suchtrupp nach uns ausgesandt hat. Das sieht ihm so gar nicht ähnlich. Richard mit seinen langen Beinen hätte uns gewiss bald erreicht.“ Sie seufzte. „Doch wie soll es nun weitergehen?“
    „Sei guten Mutes, Anna.“ Leonor versuchte, zuversichtlich zu klingen. „Der Herr wird unsere Wege lenken und seine Hand über uns halten. Gewiss werden wir beim Abstieg ins Tal auf menschliche Behausungen treffen, und dort wird uns Hilfe zuteilwerden“, sagte sie wieder einmal, nicht zuletzt, um ihre eigene Zuversicht zu stärken.
    Anna konnte das Vertrauen ihrer Herrin nicht so recht teilen. Die Schmerzen, die ihr in den Leib schnitten, wurden immer stärker. Ihr war bang ums Herz, und ihre Sorge wuchs, als ihr Blick auf eine dunkle Wolkenwand fiel, die sich bedrohlich näherte. Bald würde es wieder eines dieser heftigen Gewitter geben, die sich in diesem Frühsommer gar überreichlich zusammenballten, und nach den entsetzlichen Geschehnissen in der Scheune erschauderte sie.
    „Seht dort, Herrin, ein Unwetter braut sich zusammen. Wir müssen Schutz suchen.“
    Auch Leonor erschrak, als sie die blau-schwarzen Wolken sah. Sie hatte einmal gehört, dass Unwetter in den Bergen besonders heftig tobten. Und dass die Regenmassen Geröll und Schlamm lösten, die dann in tödlichen Lawinen zu Tal donnerten.
    Schnell standen sie auf, legten ihr Schuhwerk an, schulterten ihre Bündel und kehrten zu dem Pfad zurück, der sich an einem Felshang entlangschlängelte. Schon ertönte ein schauriges Grollen, und bald würden sich die Schleusen des Himmels öffnen. Ein Blitz durchschnitt die dunklen Wolkenberge, gefolgt von einem Donnerschlag, der so heftig war, dass sich die beiden Frauen entsetzt aneinanderklammerten. Der Himmel hatte nun eine gespenstische gelblich-grüne Farbe angenommen.
    „Dort hinüber!“, rief Leonor und deutete auf einen Felsvorsprung, der dachartig über den Pfad ragte. Darunter wären sie einigermaßen geschützt vor den bevorstehenden Regenmassen – und hoffentlich auch vor Steinschlag.
    Schnell eilten sie dorthin. Eng aneinandergekauert und zitternd vor Angst, pressten sich Leonor und Anna mit dem Rücken an die Felswand.
    Und dann schien es ihnen, als habe die Hölle ihre Pforten geöffnet: Riesige Blitze zuckten über den inzwischen fast nachtschwarzen Himmel, gefolgt von solch gewaltigen Donnerschlägen, dass Leonor fürchtete, sie würden die Berge zum Einsturz bringen.
    War dies der Tag des Jüngsten Gerichts? Hatte ihr letztes Stündlein geschlagen?

11. KAPITEL
    U nd jetzt siehst du endlich die Türme von Avignon, mein guter Jérôme.“ Robyn deutete auf die imposante Festung aus hellem Stein, verziert mit zahllosen Türmchen und Zinnen, in der die Päpste seit dem Exil residierten. Dann warf er besorgt einen Seitenblick auf seinen Knappen, der bei seinen Worten nur ganz kurz aufgesehen hatte. Sein Gesicht war gerötet, und er hielt sich kaum noch im Sattel. Hatte er dem Burschen zu viel zugemutet

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