Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
Vom Netzwerk:
Fast jeder Knochen in seinem Leib war gebrochen, und der Mann konnte seinem Schöpfer danken, dass er das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt hatte, denn sonst hätte er unerträgliche Pein erleiden müssen.
    „Ein Hirte hat ihn am Fuß der Felsen gefunden und ihn an seinem Wappenrock erkannt“, berichtete Herrmann Eichelsberger, der Burgvogt des Barons, der den Medicus hatte holen lassen. „Büsche haben wohl seinen Sturz abgemildert, ansonsten wäre er gewiss schon bei Gott.“
    Nun, wohl eher in den Klauen Luzifers, dachte der Arzt, der bereits von den Grausamkeiten des Barons gehört hatte, obwohl er noch nicht lange in der Gegend weilte. Er hatte sich erst kürzlich in der kleinen Gemeinde Elzach niedergelassen und hoffte, später mit den hier gewonnenen, notwendigen finanziellen Rücklagen nach Freiburg übersiedeln und dort eine noch einträglichere Klientel behandeln zu können.
    „Könnt Ihr denn etwas für ihn tun, Medicus?“, hakte der Burgvogt nach.
    Friedericus wunderte sich, dass der Mann so besorgt um das Wohl seines Herrn war, der ihn gewiss nicht mit Samthandschuhen angefasst hatte. Außerdem fand er es seltsam, dass Sigismund, der einzige Sohn des Barons von Attenfels, nicht am Sterbebett seines Vaters weilte. Auf seine Frage hin teilte der Burgvogt ihm verlegen mit, der junge Herr vergnüge sich im Hof mit einigen Kumpanen beim Hahnenkampf.
    Nun, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, dachte Friedericus.
    „Der Baron ist sehr schwer verletzt. Viele seiner Knochen sind gebrochen.“ Er wiegte den Kopf, als dächte er angestrengt nach. Was seine ärztliche Kunst betraf, so wusste er, dass man für den Verletzten nichts mehr tun konnte. Aber der Baron war ein reicher Mann, und er selbst stand erst am Anfang seiner Laufbahn und hatte für Frau und Kind zu sorgen. Und so beschloss er, dem Burgvogt ein spezielles Heilmittel vorzuschlagen. Obwohl er nicht viel davon hielt, da es nichts nutzte, konnte es andererseits auch nicht schaden, schon gar nicht einem Manne, der an der Schwelle des Todes stand. Was also sprach dagegen, sein Säckel noch mit einer Handvoll Silberpfennige zu füllen?
    „Hört zu, Vogt, es gibt nur eine Arznei, die Eurem Herrn helfen könnte. Versprechen kann ich Euch nichts, aber einen Versuch ist es wert. Allerdings muss ich Euch sagen, dass dieses Pulver sehr selten und daher überaus teuer ist.“
    Eichelsberger, der den Zorn seines Herrn fürchtete, falls dieser wieder auf die Beine kommen und erfahren sollte, dass man nicht alles zu seiner Genesung getan hatte, nickte. „Um welches Mittel handelt es sich denn? Und seid Ihr in der Lage, es schnell zu beschaffen, Medicus?“
    Friedericus, der eigentlich auf den Namen Friedrich getauft war, blickte bedeutungsschwer. „Wie Ihr wisst, sind die Gliedmaßen Eures Herrn gebrochen. Das einzige Mittel, das helfen kann, sind die pulverisierten Knochen eines Delinquenten, der aufs Rad geflochten wurde.“
    Der Burgvogt riss Augen und Mund auf. Das klang seltsam – und doch, hatte er nicht bereits einmal von einer solchen Arznei gehört? „Wohlan denn, Medicus. Wir wollen es versuchen. Habt Ihr etwa das Pulver bei Euch?“
    Friedericus nickte, kramte in seiner Tasche und förderte eine Phiole mit Knochenmehl hervor, das allerdings von einem Schwein stammte, aber das würde der Vogt ja nie erfahren. Von einem Schwein für ein Schwein, das passt, dachte er zynisch und hob das kleine Gefäß hoch. „Fünfzig Silberpfennige wird Euch das Leben Eures Herrn gewiss wert sein.“ Fünfzig Silberpfennige, die ihm bedeutend schneller nach Freiburg verhelfen und dem Mann auf dem Sterbebett nicht mehr wehtun würden.
    „Fünfzig Silberpfennige! Nun, ich glaube, dem Baron wäre es für seine Genesung …“
    In diesem Augenblick erhob sich vor der Tür zur Schlafkammer ein Tumult.
    „Lasst mich hinein! Ich bin Graf Lothar von Eschenbronn, der beste Freund des Barons, und muss sehen, wie es um ihn steht.“ In der Tat musste er das. Kaum hatte er erfahren, dass Attenfels noch unter den Lebenden weilte, was er nach dem entsetzlichen Sturz des Mannes in die Tiefe zunächst für unmöglich gehalten hatte, war er hierhergaloppiert. Denn wenn der Baron noch in der Lage war zu sprechen, musste er ihn zum Schweigen bringen. Sonst drohten ihm womöglich noch eine Anklage und der Galgen oder das Richtschwert – wenn nicht gar eine grausamere Todesart. Nicht nur, weil er Attenfels’ „Unfall“ zu verantworten hatte, sondern weil der Baron dann

Weitere Kostenlose Bücher