Die Pilgergraefin
dem unwegsamen Gebiet verletzten.
Der Vorsteher des Ortes gestikulierte und deutete auf sein Haus, in das die Männer den Verunglückten tragen sollten.
Ottwald und Ludwig brachten Pater Anselm hinein, und alsbald erschien auch schon der Schäfer, um sich dessen Blessuren anzusehen. Offensichtlich machte der Mann keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier. Nachdem man den Gestürzten auf ein Lager gebettet und der Hirte seine Arme und Beine betastet hatte, schiente er den gebrochenen Arm mit einigen Holzstücken, umwickelte sie mit Leinenstreifen und murmelte etwas Unverständliches.
Wiederum versuchte Ludwig sich als Dolmetsch und konnte seinen Gefährten mitteilen, dass Pater Anselm zwar schwer mit dem Kopf aufgeschlagen war, wovon eine dicke blaue Beule Zeugnis ablegte, und sich dabei auch den Arm gebrochen sowie einen Fuß schwer verstaucht hatte, indes bei guter Pflege, sofern es der Wille des Herrn war, seine Verletzungen überleben würde. Allerdings würde er die Weiterreise nach einigen Tagen der Schonung nur auf einem Maulesel antreten können.
Sogleich entstand ein edler Wettstreit zwischen Helene, die aus ihrem Bündel ein Gefäß mit Arnikatinktur hervorkramte, und dem Schäfer – Urs oder Urz mit Namen, wie Ludwig ihnen gesagt hatte –, der wortkarg, aber energisch darauf bestand, sein Wollfett sei das beste Mittel, um die Beule des Paters zu vertreiben.
Schließlich einigte man sich darauf, zuerst die Tinktur und dann die Salbe aus Wollfett auf der Blessur des Gestürzten zu verteilen.
„Sind das die Türme von Avignon?“, ächzte Jérôme, bevor er in einen Hustenanfall ausbrach.
Robyn warf einen Blick auf seinen Knappen, der wie ein nasser Sack im Sattel hing. Er hätte den verzärtelten Jüngling doch besser zu seiner Mutter zurückschicken sollen, denn eine große Hilfe war Jérôme seit dessen Sturz ihm nicht gerade.
Natürlich war seine gebrochene Rippe noch nicht verheilt und bereitete ihm Schmerzen. Doch zu allem Unglück hatte der Tollpatsch beim Durchqueren der Rhône noch einen zweiten Sturz getan und war ins kalte Wasser gefallen.
Da die Sonne heiß vom Himmel brannte und Robyn sein Ziel so schnell wie möglich erreichen wollte, hatte er Jérôme befohlen, in der nassen Kleidung weiterzureiten. Was dazu geführt hatte, dass der Unglücksvogel nun hustete und wie ein Walross schniefte.
Als der Hustenanfall vorüber war, entgegnete Robyn: „Nein, mein Guter. Das muss die Stadt Valence sein, die wir in Kürze erreichen. Doch Avignon ist nicht mehr weit. Längstens zwei forsche Tagesritte, und wir haben unser Ziel erreicht.“
Bei den Worten „zwei forsche Tagesritte“ war Jérôme merklich zusammengezuckt, was Robyn nicht entgangen war. „Ich sehe, mein hilfreicher Knappe, es geht dir nicht gut.“ Trotz Jérômes misslichen Zustands vermochte er den ihm eigenen Spott nicht ganz zu unterdrücken. Am besten bringe ich dich in Valence ins Spital der Karmeliterinnen, auf dass du dich dort auskurieren kannst.“
Diesmal war Jérôme bei den Worten „Spital der Karmeliterinnen“ zusammengezuckt. Offenbar behagte ihm die Vorstellung, sich in die Obhut der frommen Nonnen begeben zu müssen, noch weniger als der zweitägige forsche Ritt.
„Nicht ins Spital, Chevalier“, bat er auch sogleich und zog lautstark die Nase hoch.„Ich will an Eurer Seite bleiben und gemeinsam mit Euch in Avignon einreiten. So vieles habe ich bereits gehört über diese Stadt, in der die Hure von Babylon wohnen soll.“
Ob dieser Einfalt seines Knappen musste Robyn laut lachen. Gutmütig zog er ihn auf: „Aha, mein lieber Jérôme, zu den Nonnen ins Spital willst du nicht, aber geradewegs ins Hurenhaus von Babylon? Dort wartet man gewiss bereits sehnsüchtig auf deine Manneskraft.“ Er grinste seinen Knappen an und fuhr fort: „Mir scheint, du hast da etwas durcheinandergebracht.“
Mit großen Augen starrte Jérôme seinen Herrn an und brachte mit krächzender Stimme hervor: „Aber spricht man nicht ganz allgemein von der babylonischen Hurenschaft?“
Robyn schüttelte den Kopf: „Da musst du dich verhört haben oder hast dir die Ohren nicht gewaschen. Die Rede ist von der babylonischen Gefangenschaft.“
Ein gewaltiger Nieser ließ den Knappen und sogar das Pferd erzittern. Jérôme schüttelte sich und stotterte: „Oh nein, in Gefangenschaft möchte ich nicht geraten, Chevalier.“
Ach, was für ein Einfaltspinsel dieser Bursche doch ist, dachte Robyn und begann, seinem Knappen zu
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