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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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mit dem forschen Ritt von Valence bis hierher? Plagte ihn vielleicht Schlimmeres als nur eine Erkältung?
    „Bald wirst du dich in einer bequemen Kammer ausruhen können. Ich kenne einen behaglichen Gasthof in der Nähe der Papstburg. Dort serviert man leckere Würste und Braten. Außerdem frisches Brot und den besten Rotwein.“
    Obwohl Jérôme einer kräftigen Mahlzeit niemals abgeneigt war, vermochte ihn die Aussicht auf gute Speisen nach dem langen Ritt, auf dem sie oftmals alles andere als fürstlich getafelt hatten, kaum zu erfreuen. Er zitterte wie Espenlaub und glühte vor Fieber. Beim Gedanken an die genannten Speisen überkam ihn Übelkeit. Krampfhaft hielt er die Zügel fest.
    Besorgt schüttelte Robyn den Kopf. Wie es schien, war der Knappe ernstlich erkrankt, und er musste Sorge tragen, dass er wieder auf die Beine kam. Wie sollte er seiner Cousine Géraldine sonst jemals wieder unter die Augen treten, die ihm ihren einzigen Sohn anvertraut hatte. Darüber hinaus hatte er eine gewisse Zuneigung zu dem zwar tollpatschigen, aber liebenswerten Burschen gefasst, sodass ihm dessen Wohlergehen aufrichtig am Herzen lag. Gleichzeitig war er jedoch im Auftrag des Königs unterwegs und hatte eine Mission zu erfüllen, die so bedeutsam war, dass er sie eigentlich über das Wohl des Knappen stellen musste. Allerdings war er sicher, dass Jérôme bei guter Pflege und nach ein paar Ruhetagen wieder auf den Beinen wäre, beziehungsweise sicher im Sattel sitzen würde.
    „Reiß dich zusammen, Junge. Bald haben wir unser Ziel erreicht, und dort wird man sich um dein Wohl kümmern. Wenn es denn sein muss, werde ich den besten Medicus der Stadt an dein Lager schicken, damit er sich deiner annimmt.“
    Beim Wort „Medicus“ zuckte Jérôme zusammen, und zwischen bleichen Lippen presste er hervor: „Oh nein, Chevalier, keinen Arzt oder Knochenflicker. Die lassen einen nur zur Ader, und danach geht es einem noch schlechter als zuvor.“ Er holte tief Luft, die kurze Rede hatte ihn angestrengt, und gab dabei ein rasselndes Geräusch von sich, bei dem Robyn erschrak. Hoffentlich hatte das Lungenfieber seinen Knappen nicht gepackt, denn das könnte seinen Tod bedeuten.
    „Sieh nur, Jérôme, wir haben das Stadttor gleich erreicht. Und nicht weit entfernt liegt das Gasthaus ‚Coq au Sud‘. Dort kannst du dich ausruhen, und bald wirst du wieder wohlauf sein.“
    Als sie das nördliche Tor erreichten, zeigte er seinen königlichen Passagierschein, und der Wächter winkte sie sichtlich beeindruckt weiter. Sie bogen in eine schmale, gepflasterte Gasse ein, und schon bald entdeckte Robyn das Schild des Wirtshauses, in dem er bereits mehrmals Quartier genommen und das er in bester Erinnerung hatte.
    Im Hof der Herberge hielt er an, sprang aus dem Sattel und wunderte sich, dass nicht sogleich ein Reitknecht herbeieilte, um ihm sein Ross abzunehmen und es zu versorgen. Er blickte sich um und stellte fest, dass sich seit seinem letzten Aufenthalt vor zwei Jahren einiges verschlechtert hatte. War Monsieur Barthélemy, der Wirt, etwa verstorben und das Gasthaus an einen anderen Besitzer übergegangen? Robyn pfiff, aber niemand erschien. Erst auf sein lautes Rufen hin tauchte eine abgerissene Gestalt aus den Stallungen auf, nahm mürrisch die Zügel des edlen Pferdes und schlurfte mit ihm davon. Adomar wieherte unwillig, als ahnte er, dass ihm hier nicht die beste Behandlung zuteilwerden würde.
    Nach einer Weile trottete der Knecht wieder heran und nahm auch das Tier des Knappen, dem Robyn inzwischen aus dem Sattel geholfen hatte, und das Packpferd in Empfang.
    „Dass du dich nur ja gut um die Pferde kümmerst“, mahnte Robyn und warf dem Knecht eine Münze zu. Das Geldstück schien den Bediensteten zu beflügeln, entfernte er sich nun doch weit schneller als beim ersten Mal.
    Robyn sah sich um und entdeckte hier und da Zeichen des Verfalls an dem ehemals so stattlichen Fachwerkgebäude des „Coq au Sud“. Sollte er lieber eine andere Herberge aufsuchen? Vielleicht das „Cheval bleu“, das er von seinen Besuchen in Avignon ebenfalls kannte. In den letzten Jahren, seit er im Dienste des Königs Depeschen an den Papsthof überbracht hatte, war er in verschiedenen Gasthöfen untergekommen, hatte das „Coq au Sud“ aber immer als die angenehmste und bequemste Herberge empfunden. Die Kammern waren recht reinlich, das Bettzeug roch angenehm frisch und duftete nach Lavendel, der in dieser Region prächtig gedieh. Das Ungeziefer

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