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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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daraufhin angebrüllt. „Wir müssen alles unternehmen, um Baron Attenfels zu finden und ihm behilflich zu sein, sofern er noch lebt“, hatte er heuchlerisch hinzugefügt, um nach außen hin den Schein zu wahren, während er sich in Wahrheit nichts anderes wünschte, als dass sein Feind tot war.
    Widerwillig hatte der Mann sich daraufhin an den Abstieg gemacht, nur um alsbald wieder aufzutauchen und den Kopf zu schütteln. „Da unten liegt keiner, Herr Graf. Bestimmt ist der Baron geradewegs in den Fluss gestürzt. Gott sei seiner Seele gnädig.“
    Ha, dachte Lothar, die schwarze Seele dieses Teufels ist gewiss direkt zur Hölle gefahren. Nun konnte er, nicht länger gepeinigt von Attenfels’ Erpressungen, endlich das angenehme Leben auf Burg Eschenbronn führen, von dem er schon immer geträumt hatte. Niemand konnte mehr sein „kleines Geheimnis“ verraten. Und auch Gisela drohte keine Gefahr mehr.
    „Komm her, Egbert. Wir haben getan, was wir konnten. Der Baron selbst trägt die Schuld an seinem Unglück, ist er doch kopflos losgeprescht. Anscheinend hat sein Pferd mehr Verstand als er. Ja, der Herr sei seiner armen Seele gnädig“, hatte er noch hämisch hinzugefügt. Alles war so verlaufen, wie er es erhofft hatte. Und zudem würde er nun das edle Ross des Barons sowie dessen Jagdsperber, um den er ihn schon immer beneidet hatte, in seinen Besitz bringen. Denn dem dümmlichen Sigismund, Attenfels’ Erben, würde er beides leicht für kleines Geld abschwatzen können. Ebenso wie das große Feldstück, das an seinen Besitz grenzte und auf dem der Weizen so prächtig gedieh, dass dessen Verkauf ihm ein erkleckliches Sümmchen einbringen würde.
    Heuchlerisch schlug er das Kreuzzeichen und gab den Jagdhelfern den Befehl, die Beizvögel zu rufen und den Heimritt anzutreten.
    Dass er selbst genauso teuflisch gehandelt hatte wie einst der inzwischen gottlob verblichene Baron, kam ihm keinen Augenblick lang in den Sinn.

10. KAPITEL
    A uch wenn der fromme, asketische Bruder Anselm kein Gramm Fett am Leib hatte, stöhnten Ottwald und Ludwig, die getreulich die Bahre ins Tal trugen, dennoch erleichtert auf, als Richard, der die Vorhut bildete, ausrief: „Seht nur, die Spitze eines Kirchturms. Bald wird uns Hilfe zuteil!“
    Nun, die Bezeichnung Kirchturm war wohl etwas übertrieben für das Glockentürmchen der kleinen Kapelle, die sich dem Blick der Pilger bot. Doch immerhin kündete es von menschlichem Leben und Rettung aus der Not. Ein wenig entfernt von dem schlichten Gotteshaus befanden sich eine Handvoll Häuser aus Naturstein und einige ärmliche Hütten aus grob behauenen Holzbalken.
    Auf den Wiesen, die die Behausungen umgaben, hielten Feldarbeiter und Mägde beim Heumachen inne und starrten auf den sich nähernden Pilgerzug. Nur selten verirrten sich Fremde in dieses Tal, denn es lag abseits der gängigen Route, auf der Händler, Reisende und Wallfahrer über die Berge ins Land der Welschen zogen, um dort ihren Geschäften nachzugehen oder die Fahrt gen Rom fortzusetzen, wo sie am Grab des Apostels Paulus um Vergebung ihrer Sünden beteten.
    Ottwald und Ludwig setzten ihre Last in der Mitte des matschigen Dorfplatzes ab, auf dem sich einige magere Schweine in einer großen Pfütze suhlten. Wenig später trat aus der Tür des größten Steinhauses eine Gestalt hervor, die trotz der im Tal herrschenden Sommerhitze in ein Schaffell gehüllt war. Suchend, als halte er nach dem Anführer der Gruppe Ausschau, blickte der Mann sich um. Schließlich wandte er sich an Richard und sprach ihn in einem Dialekt an, den dieser nicht verstand.
    Richard deutete auf die Trage, auf der Pater Anselm nahezu reglos lag, und sagte: „Kannst du uns helfen?“
    Auch wenn der Mann Richards Worte nicht verstand, schien er zu begreifen, worum es ging. Er nickte, wandte sich dem Haus zu und rief etwas, woraufhin sofort eine Magd erschien. Er erteilte ihr einen Befehl, und sie verschwand in Richtung der Viehweiden.
    Derweil wandte sich Richard seinen Gefährten zu und fragte: „Versteht einer von euch die Sprache des Mannes?“
    Ludwig schob sich vor. „Während meiner Wanderjahre als Geselle war ich auch einmal in dieser Gegend. Ich denke, ich verstehe ein wenig die hiesige Mundart.“
    „Wohlan denn, so sage uns, was gesprochen wird.“
    Ludwig wandte sich an den Dorfschulzen und erfuhr, dass er die Magd nach dem Schäfer geschickt hatte, der sich mit Knochenbrüchen aller Art auskannte, da seine Tiere sich des Öfteren in

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