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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Saloman. »Ich freue mich, mit Euch den Gipfel des Berges und damit den Ort des Adlers erreicht zu haben. Ein Adler nämlich baute hier seinen Horst und zeigte den Männern, wo sie ihre Festung bauen sollten.«
    »Wie alt ist diese Burg?«, fragte Teresa.
    »Sie wurde im 9. Jahrhundert von den Seldschuken erbaut und später von den Ismailiten, den Assassinen, eingenommen. Hundertsechzig Jahre lang herrschten hier die Alten vom Berge und versetzten die Welt in Angst und Schrecken. Keiner wagte, den Namen dieser Burg auszusprechen. Die Assassinen töteten ihre politischen Feinde und glaubten, nur auf diesem Weg ins Paradies zu kommen. Wenn sie entdeckt wurden, nahmen sie sich das Leben, durch Gift oder Dolch, wie sie auch ihre Gegner massakrierten.«
    »Wo könnte hier eine Schriftrolle versteckt sein?«, fragte Markus.
    »Ich vermute, in der Grabkammer, die sich hier irgendwo befinden muss. Lasst uns gehen, ich brenne darauf, sie zu entdecken!«
    Teresa brannte ebenfalls darauf. Sie schloss sich den beiden Männern an, die nun den Hof durchquerten. Sie gelangten zum einstigen Wohnhaus, in dem auch die Unterkünfte der Soldaten gewesensein mussten. Das erkenne man an der Gleichförmigkeit, mit der die Räume gebaut worden waren, erklärte Saloman. In einem großen Raum stand eine Art steinerner Thron, der einst mit Rubinen und Edelsteinen geschmückt sein musste, das sah Teresa an den Dellen. Auch hier war alles mit Sand, Spinnweben und Vogelkot bedeckt. Ein Skorpion kroch rasch davon, als sie sich näherten.
    »Im Jahr 1256 wurde die Burg von Hülägü Khan, dem Enkel des Dschingis Khan, eingenommen«, sagte Saloman. »Die Burg wurde geschleift und dann wurde – nach Entnahme der Biografie des ersten Alten vom Berge, Hassan bin Sabbah – die umfangreiche und wertvolle Bibliothek verbrannt. Angeblich wurden, wie ihr sicher wisst, 12 000 Männer unter einem Vorwand zusammengetrieben und ermordet. Aber es konnten sich wohl einige in Sicherheit bringen; vielleicht haben sie den Leichnam des letzten Alten vom Berge, Ruknud-Din-Kurshah, mit sich genommen und später hier bestattet.«
    »Und wo soll sich der Garten befunden haben?«, fragte Teresa.
    »Ich vermute ihn weiter unten, an der Nordseite des Berges. Sicher wird nicht mehr viel davon übrig sein. Jetzt wollen wir sehen, ob wir den Weg zur Grabkammer finden.«
    Aus dem Thronsaal führte ein Gang hinaus, der schnell abschüssig wurde. Die Wände des Ganges waren feucht, ein kalter Hauch kam ihnen entgegen. Saloman nahm eine Fackel, die in ihrer Halterung blakte, und leuchte ihnen voraus. Teresa kam es vor, als träumte sie. War das wirklich sie, die hier, im Reich der Perser, mit zwei Männern den Gang einer Burg hinunterlief? Sie kamen zum Halten. Ein Tor versperrte den weiteren Weg.
    »Im Namen Hassan bin Sabbah, öffne dich«, murmelte Saloman.
    Woher wusste er das Losungswort?
    »Das Losungswort hat mir Gabriel de Montaña mitgeteilt«, sagte er und zwinkerte. Er rüttelte an der Eisenklinke. Es rührte sich nichts. Auch als der Gelehrte sich mit der Schulter, dann mit seinem ganzen Gewicht dagegenwarf, blieb die Tür verschlossen. Er zog einen gebogenen Draht aus einer Tasche seines Wamses. Und sieheda, die Tür öffnete sich quietschend und gab den Weg frei. Ein Geruch nach Staub und Verwesung wehte ihnen entgegen. Sie befanden sich in einem Raum von größerem Ausmaß. An den Wänden standen steinerne Sarkophage, mit Ornamenten verziert. Sie waren verwittert und mit weißlichem Kot und Staub bedeckt, aber auf einigen konnte Teresa die Köpfe ihrer Insassen erkennen, mit abgebrochenen Nasen und fehlenden Lippen. Sicher hatten hier wie auch in den Wohnräumen Grabräuber gehaust. Von einer Eingebung getrieben – sie hatte gerade an Matthias gedacht – blickte sie auf und fuhr so sehr zusammen, dass sie fast gestürzt wäre. An der Decke hingen, wie zusammengefaltete Servietten, Hunderte von Fledermäusen. Saloman und Markus folgten ihrem Blick.
    »Daher kommt also der Kot«, sagte Saloman.
    Teresa versuchte sich zu sammeln. Sie war wieder dort, wo alles angefangen hatte, auf der Burg ihres Vaters. Die Glocke schlug sieben Mal. Sieben Stufen mussten die Assassinen durchlaufen, bevor sie die letzte, die siebente Stufe ereichten und ins Paradies kamen. Die Fledermäuse hatten sie berührt und in ihr die Gewissheit erweckt, das etwas Schlimmes passieren würde. Und jetzt waren sie in der gleichen Situation. Worauf hatte sie sich nur eingelassen, warum war sie

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