Die Pilgerin von Montserrat
»Nachdem wir nun so weit gegangen sind, wäre es eine Sünde, einfach umzukehren«, sagte sie und blinzelte Markus zu, der den Blick in einer Art erwiderte, dass ihr ein Schauer den Rücken herunterlief.
»Wann brechen wir auf?«, fragte sie.
»Morgen«, war Salomans Antwort.
Sie mussten das Tal von Mesopotamien, das Land zwischen Euphrat und Tigris, durchqueren. Immer hatte sich Teresa gewünscht, es einmal zu sehen, das Land, wo Milch und Honig fließt. Es war in der Tat ein sehr fruchtbares, auch im asiatischen Winter grünes Land mit milden Temperaturen. Weiter im Norden, zum Taurusgebirge hin, wurde es kälter, und öfter fiel Schnee auf ihrer Reise durch die Berge.
Nach einer weiteren Woche hatten sie die Randgebiete des Elbursgebirges erreicht; dahinter verbargen sich im Nebel das Kaspische Meer, der größte See der bekannten Welt, und die Burg Alamut. Die Rotbuchen an den Hängen streckten ihre kahlen Zweige aus, als wollten sie ihnen den Weg weisen. In den Bergen lebten anspruchlose Menschen mit geschlitzten Augen und brauner Haut. Sie waren freundlich, boten ihnen immer ein Nachtlager und zu essen, ohne etwas dafür zu verlangen. Teresa ließ ihnen aber stets etwas zukommen. Die tiefen Schluchten, die rauschenden Bäche und die kahlen Hänge erinnerten Teresa an die Pyrenäen.
An einem Mittag Ende Februar sahen sie die Burg Alamut hoch auf einem Felsen vor sich stehen. Der Adlerhorst, das Reich des Alten vom Berge . Teresa atmete tief durch und legte den Kopf in denNacken, um das Gelände genau ins Auge zu fassen. Die Reste der Festung verschwammen fast mit ihrer Umgebung, denn die Burg war aus dem gleichen gelblichen Gestein erbaut worden. Im Süden erstreckte sich die Wüste, dahinter ragten die Berge des Elburs in die Höhe. Rundum war nichts als Einöde, kein Baum, kein Strauch, kein Zirpen einer Grille. Und hier sollte ein Garten angelegt worden sein? Hoch über dem Plateau kreiste eine Schar von Geiern.
»Dort müssen wir hinauf«, sagte Saloman. »Seht Ihr die Stufen, die in den Fels gehauen sind?«
»Ich sehe sie«, sagte Teresa, »und ich bin mir sicher, dass wir hier etwas finden werden.«
Sie wusste nicht, was ihr diese Sicherheit gab. Vielleicht war es ein Traum von Matthias, den sie in der letzten Nacht gehabt hatte.
Saloman band ihre Kamele an einen Felsblock, versah sich mit Wasserbeutel und Proviant, holte ein Seil aus seiner Satteltasche und befestigte es an ihren Körpern. Sie begannen, die Stufen hinaufzuklettern. Das Gestein war bröckelig, einige Male rutschten Teresas Füße ab, kleine Felsbrocken fielen polternd in die Tiefe. Die Sonne brannte von einem klaren Himmel auf sie herab. Die Geier stießen immer wieder pfeifende Laute aus, dann wieder erinnerten sie Teresa an Laute von Katzen. Auf einer Höhe von etwa zweihundert Fuß hielten sie inne. Teresas Magen zog sich zusammen, als sie in die Tiefe sah. Um Gottes willen, wie sollten sie da bloß wieder hinunterkommen? Saloman verteilte Wasser aus seinem Schlauch, kühl rann die Flüssigkeit Teresas Kehle hinunter. Sie hatte nicht gewusst, wie gut das schmecken könnte.
Mit großer Mühe überwanden sie einen Felsvorsprung. Teresas Hände waren verschrammt und bluteten. Aber um keinen Preis hätte sie jetzt, dem Ziel so nah, aufgegeben. Das Seil gab ihr Sicherheit. Die drei ruhten eine Zeitlang aus, um zu Atem zu kommen. Endlich erreichten sie das Plateau mit den Ruinen der Burg Alamut. Obwohl die einst mächtige Festung offenkundig zerstört und geschleift worden war, standen noch ansehnliche Reste wie der Torturm, die Außenmauern und die Wohngebäude. Hier oben wares kühler als in der Ebene. Teresa setzte sich auf eine Mauer vor dem Tor und blickte auf das Land, das sich einsam bis zum Horizont erstreckte. Nach Süden hin die endlose Wüste mit den Bergen im Hintergrund, auf der anderen Seite ebenfalls Berge, die sich nach Norden hin verflachten und in der Ferne die Klippen des Kaspischen Meeres sehen ließen. Unendlich weit, schattenblau wie eine Fata Morgana erstreckte sich das Gewässer. Teresa erkannte einen Brunnen in der Mitte der Anlage. Sie stand auf, ging hinüber und schaute hinein. Er war vollkommen ausgetrocknet und mit Spinnweben und Sand bedeckt wie alles andere. Ein Grunzen ließ sie zusammenzucken und aufblicken. Der Schatten eines der Geier legte sich über sie und verschwand. Vom Brunnen führte ein treppenartiges Gebilde hinab.
»Hier floss einst eine Quelle, die den Garten Eden bewässerte«, sagte
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