Die Pilgerin von Montserrat
Konservieren von Nahrung waren schon immer eine ihrer Leidenschaften gewesen. So stieg sie jetzt mit Schwung auf das Pferd, das für sie bereitstand. Der Sattel war mit einer rotgolden bestickten Decke überworfen; die sollte ihr den langen Ritt, auch wenn sie über der Bruche Halbhosen und Beinlinge angezogen hatte, angenehmer machen. Auf dem Kopf trug das Pferd ein Büschel aus weißen Federn. Vor ihr war ein lederner Reisebeutel am Sattel befestigt. Froben und die zwei Hakenschützen, die sie begleiteten, saßen ebenfalls auf. Umringt von den Dienern und dem Geistlichen, der sie segnete, ritten sie zum Tor hinaus und über die Brücke. Teresa warf einen Blick ins Tal der Donau hinab. Umrahmtvon goldenem Laub, erschien in der Ferne ihr Lieblingsfelsen mit seinem grauweißen Steilabhang. Wie oft hatte sie dort gesessen, den Schreien der Wanderfalken gelauscht, die sich um ihre Brut sorgten, und hatte in die schwindelerregende Tiefe geschaut, wo sich die junge Donau ostwärts wand.
Sie ritten auf der Hochfläche, an deren Spitze die Burg erbaut war, hoch über dem Tal. Auf der Wiese standen Champignons, und Teresa überlegte, wie sie in einem Eiergericht schmecken würden, zusammen mit Speck, Butter und Sahne. Sie war hin- und hergerissen zwischen dem Leid, das ihr Wilhelms Tod zugefügt hatte, und der Freude, aufzubrechen in eine Welt, von der sie noch wenig gesehen hatte. Gleichzeitig empfand sie Furcht vor dem Bösen, das mit der gestrigen Nacht in ihre vertraute Umgebung gedrungen war. Der Weg ging steil hinab ins Tal. Da, wo die Tannen zurückwichen, sah Teresa den Fluss, der sich zwischen Wiesen schlängelte und in der Herbstsonne glitzerte. Eine Zeitlang hörte sie nur das Schnauben der Pferde, das Scharren und Klopfen der Hufe, das Knarren der Sättel und roch den Schweiß der Tiere. Wenn eines von ihnen über einen Stein stolperte, fluchten die Männer leise. Gero und Jost waren Teresa als besonders treue Schützen bekannt. Sie hatten manchen Angriff auf die Burg abgewehrt und schon viele Fehden bestanden. Mit ihren Eisenhelmen, die in der Sonne funkelten, den Brustharnischen und den Kettenbeinlingen wirkten sie beruhigend auf die junge Frau.
Als sie endlich das Tal erreichten, stand die Sonne tief über den bewaldeten Höhen.
»Wir werden im Kloster Beuron übernachten«, beschied Froben. »Weiter kommen wir nicht vor der Dunkelheit.«
Sie folgten dem Weg am Fluss entlang. Ein Schwan fauchte sie an, als sie ihm zu nahe kamen. Immer wieder flatterten Blesshühner und Kormorane auf und zogen klatschend über das Wasser davon. Von den gemähten Wiesen ging ein würziges Duft aus. Nebel stieg aus den Wiesengründen auf. Die Dämmerung senkte sich schnell herab. Hinter ihnen war Hufgetrappel zu hören. Teresa hatte einbeklemmendes Gefühl. Wer mochte das sein, der zu dieser Abendzeit zum Kloster ritt? Sie brachte ihr Pferd zum Stehen, die anderen ebenfalls. Teresa erstarrte. Zwei Männer kamen auf dunklen Rössern angaloppiert. Sie trugen schwarze Kutten mit Kapuzen und sprengten so schnell auf die kleine Gruppe zu, dass alle zur Seite weichen mussten.
War das ein Spuk gewesen? Nein, das kann nicht sein, sagte Teresa sich. Es waren wirkliche Pferde mit wirklichen Menschen. Die Huftritte wurden leiser, klapperten in die Ferne, dem Kloster zu. Teresas Knie zitterten. Die Apokalypse der Johannesoffenbarung fiel ihr ein : Und ich sah, und siehe, ein fahles Pferd. Und der darauf saß, dessen Name war: Der Tod, und die Hölle folgte ihm nach.
»Kannst du dir erklären, Vater, wer das gewesen sein mag?«, fragte sie.
»Es werden Pilger sein, die befürchteten, zu spät ins Kloster zu kommen, bevor die Tore schließen.«
»Aber die Tore der Klöster öffnen sich doch immer für müde Reiter und Wanderer.«
»Dann waren es eben Mönche, die vom Markt kamen und sich verspätet haben«, entgegnete ihr Vater. »Lasst uns jetzt weiterreiten, bevor es gänzlich dunkel wird.«
Im Schein des aufgehenden Mondes sahen sie bald das Kloster vor sich liegen. Es war vor Jahrhunderten in dem weiten Tal erbaut worden, nahe am Fluss, umgeben von Steilwänden mit Felsen. Die Kirche war eine einfache romanische Basilika.
Als sie zur Pforte kamen, fragte der Pförtner, ein untersetzter Mönch im dunklen Habitus: »Habt Ihr diese wilde Jagd gesehen? Soeben sind sie an mir vorbeigeprescht. Ich rief sie an, erhielt jedoch keine Antwort.«
»Uns haben sie fast niedergeritten«, gab Froben zur Antwort. »Aber wir wissen nicht, wer
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