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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Gesteinsmassen zu umgehen. Hoffentlich erreichten sie bald das Kloster. Teresa sehnte sich nach nichts mehr als nach einem Licht, nach Wärme und der Anwesenheit von Menschen, denen nichts Böses zuzutrauen war.

4.
    Als die Sonne hinter den gegenüberliegenden Bergen versank, sah Teresa das Kloster in einer Senke unter sich liegen. Um die Kirche drängten sich Häuser aus braunrotem Sandstein. Der schmale Fluss zog nahe am Ort vorbei. Teresa schaute sich noch einmal schaudernd nach dem Wald um, aus dem sie gekommen waren, und machte sich dann leichteren Herzens daran, zusammen mit Froben den Berg hinunterzureiten. Der Duft nach Thymian und Heu stieg ihr in die Nase; ein Hund bellte. Die Hufe ihrer Pferde klapperten über die festgestampfte Lehmstraße.
    Mächtig ragte das Kloster vor ihnen auf, mit rötlich dicken Mauern, Rundbogenfenstern und einem gewaltigen Tor. Wie schon im Tal der Donau wurden sie auch hier freundlich begrüßt. Teresa bekam ein Gastzimmer zugewiesen. Als der Bruder Pförtner, ein rundlicher, gutmütiger Mann mit breitem Gesicht, von dem Grund ihres Besuches erfuhr, versprach er, sie am nächsten Tag mit dem Librarius Alexis Furer und dem Abt zusammenzubringen.
    Nach den Laudes mit ihren Hymnen, Psalmen und Wechselgebeten und dem Frühstück um halb acht gingen die Benediktinermönche ihrer Arbeit nach. Sie trugen schwarze Tuniken, Skapuliere und Kukullen mit Kapuze. Vom Kloster Inzigkofen, in dem ihre Schwester Barbara weilte, wusste Teresa, welche Arbeiten in solchen Stätten zu verrichten waren. Die einen waren in der Bäckerei beschäftigt, andere in der Küche, im Cellarium, im Garten oder im Waschhaus. Der Bruder Pförtner kam wie angekündigt und führte sie durch den Kreuzgang, der zu dieser Tagesstunde von den Mönchen nicht besucht wurde. Teresa war beeindruckt von den Gewölben und den Rosetten, die in jedem Durchbruch anders gestaltet waren. Sie gelangten zur Bibliothek, die in einem Raum im Obergeschoss untergebracht war.
    Beim Eintritt stockte Teresa der Atem. Sie kannte die Bibliothek, die ihr Vater und ihr Großvater in der heimatlichen Burg zusammengetragen hatten. Eine Sammlung dieses Ausmaßes hatte sie jedoch noch nie gesehen. Unter einer Kassettendecke zogen sich an den Wänden Regale mit hellen, ledergebundenen Büchern entlang. Sie verströmten den Geruch nach altem, gepresstem Papier. Im unteren Bereich standen die Bücher zwischen Pfeilern und hölzernen Figuren. Die Regalschränke selbst waren mit Flachschnitzereien versehen, flankiert von schlanken Säulen. Auf einer Art Empore schlossen diese Säulen mit Voluten ab, die mit Masken besetzt waren. Zur Empore führte eine Wendeltreppe, die der Pförtner sie hinaufgeleitete.
    Der Librarius Alexius Furer saß an einem Kirschholzpult, ein dickes Buch aufgeschlagen vor sich, in dem er tief versunken las. Seine Gestalt war untersetzt, sein Gesicht unter der Kapuze ein wenig gerötet und aufgeschwemmt, so als könne er sich gewisser weltlicher Genüsse nicht enthalten. Die Nase war breit, die Lippen waren fleischig, und unter dem Rand der Kapuze quollen eine Menge lockiger schwarzer Haare hervor. Als er ihnen entgegenblickte, langsam aufstand und auf sie zukam, bemerkte Teresa die Schärfe seiner Augen, mit denen er die Ankömmlinge musterte.
    »Der Bruder Pförtner hat mir von Eurem Anliegen berichtet«, sagte der Bibliothekar mit einer tiefen, recht einnehmenden Stimme.
    »Ich empfehle mich jetzt, muss wieder zum Tor zurück«, verabschiedete sich der Pförtner.
    »Nehmt Platz«, sagte der Bibliothekar und schob ihnen zwei Stühle hin, die aus dem gleichen dunklen Holz und ebenso fein bearbeitet waren wie sein Lesepult. »Was führt Euch zu mir, in diesen finsteren Winkel des Schwarzen Waldes?«
    Froben räusperte sich. »Wir haben Kunde erhalten, dass Euer Kloster reich ist an kirchlichen Schätzen, Eure Mönche voller Demut und Arbeitsamkeit sind und dass der Ruf Eurer Gelehrsamkeit weit über die Grenzen dieses Schwarzen Waldes hinausgedrungenist. Wir kommen von der Burg Wildenberg im Donautal. Nachdem wir erfuhren, dass ein Vorfahr von uns nach dem ersten Kreuzzug einen goldenen Kandelaber hierher gebracht hat, machten wir uns auf den Weg, um nach dem Verbleib dieses Leuchters zu forschen. Dies ist übrigens meine Tochter Teresa, die mir beim Erstellen unserer Familienchronik behilflich ist. Ein Sohn blieb mir leider versagt. Eine weitere, blinde Tochter von mir lebt im Kloster Inzigkofen an der Donau.«
    Warum

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