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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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genesen«, versicherte die hochgewachsene Frau den besorgten Pilgern, während sie Starrheim mit kundigen Händen versorgte.
    Bei Sebastian hatte Tilla dies angenommen, denn er war nicht so schwer verwundet und hatte bereits als Junge etliche Krankheiten und Verletzungen gut überstanden. Auf Graf Rudolfs Überleben hatte sie jedoch nur hoffen können. Nun nahm sie erleichtert wahr, dass die Medizin, die Olivia ihm einflößte, ihre Salben und die kundig angelegten Verbände seine Schmerzen zu dämpfen und seine Lebensgeister zu wecken schienen.
    Nicht lange, da wurde sein Blick klarer. Er musterte seine Umgebung und bekundete, einen Bärenhunger zu haben. Zu seiner Enttäuschung erhielt er jedoch nur eine Brühe mit ein wenig Hühnerfleisch. Als er sich darüber beschwerte, ließ Olivias Lächeln ihn schnell verstummen. Sie gab ihm noch einen Schluck Wein zu trinken, und kurz danach schlief er so süß und selig wie ein Säugling. Auch Sebastian fielen schon im Sitzen die Augen zu. Zwei von Olivias Helfern hoben ihn auf, führten ihn zu einer eilig hergerichteten Lagerstatt und betteten ihn dort unter eine Decke aus ungefärbter Schafwolle.
    Der Rest der Gruppe zollte nun ebenfalls den Anstrengungen der letzten Tage Tribut und versank in tiefen Schlaf. Tilla wolltesich bei Olivia für ihre Gastfreundschaft bedanken und sich ebenfalls hinlegen, doch da bedeutete ihr die Frau, aufzustehen und mit ihr zu kommen. Verwirrt folgte sie ihrer Gastgeberin in eine kleine Kammer, in der sich Dampf über einem großen Bottich kräuselte.
    Da Tilla in ihrer Erschöpfung wie erstarrt stand, wies Olivia sie mit Gesten an, sich auszuziehen und in das Wasser zu steigen. Sie schüttelte sich, um wenigstens etwas wacher zu werden, denn sie konnte der Verlockung eines warmen Bades nicht widerstehen. Endlich würde sie sich den Schmutz abwaschen können, der auf ihrer Haut klebte, und mit ihm vielleicht auch die unmittelbaren Schrecken der letzten Tage. Rasch schlüpfte sie aus ihrer Kleidung, trat an den Bottich und prüfte die Temperatur des Wassers. Das Gefühl, das die Wärme in ihr auslöste, war so angenehm, dass sie drinnen saß, ehe ihre Gastgeberin sie noch einmal auffordern konnte. Im gleichen Augenblick erschienen mehrere junge Frauen, die von einem größeren Block abgeschnittene Seifenstücke und kleine Tontiegelchen hereintrugen, aus denen es angenehm roch.
    Auf Olivias Geheiß begannen sie, Tilla von Kopf bis Fuß zu waschen. Das hatte man zuletzt mit ihr gemacht, als sie noch ein kleines Kind gewesen war, und sie genierte sich zunächst. Nicht lange aber, da entspannte sie sich und genoss die sanften Hände der Frauen. Als das Wasser ein wenig abgekühlt war, bat Olivia sie, aus dem Bottich zu steigen, rieb sie mit einem weichen Tuch ab und deutete auf eine mit Polstern bedeckte Bank in einer Ecke. Tilla musste sich mit dem Gesicht nach unten hinlegen, während ihre Gastgeberin mit erstaunlich kräftigen Händen ihren Nacken und ihren Rücken zu massieren begann. Im ersten Augenblick wollte Tilla protestierend aufschreien, so weh taten ihr die verkrampften Muskeln. Doch sie biss die Zähnezusammen, hielt still und spürte, wie sich die Knoten unter ihrer Haut lösten. Noch ehe Olivia fertig war, dämmerte sie unter deren Händen weg.
    Tilla konnte nicht lange geschlafen haben, denn als sie erwachte, lag sie immer noch auf dem schmalen Ruhebett, eingehüllt in eine warme Decke, und roch auf angenehme Weise nach Blüten und Heu. Auf der anderen Seite des Raumes zogen Olivia und ihre Helferinnen gerade Renata aus, um auch sie zu baden. Beim Anblick der angeschwollenen und blau unterlaufenen Scham der Vergewaltigten stieß Olivia einen Laut aus, der Mitleid, aber auch Hass auf jene ausdrückte, die dieser Frau so etwas Schreckliches angetan hatten. Gleichzeitig zog sie Renata an sich und strich ihr tröstend über das Gesicht. Dann zeigte sie auf die Wanne. Als Renata zögerte, hoben Olivias Frauen sie hoch und setzten sie in den Bottich.
    Tilla sah interessiert zu, wie ihre Gefährtin gesäubert und wieder neben die Wanne gestellt wurde. Zwei Frauen stützten sie, während Olivia einige seltsame Gesten vor ihrem Gesicht vollführte. Renata schien im Stehen einzuschlafen und wurde von den Helferinnen auf eine Decke gelegt. Dann bestrich die hochgewachsene Frau den Unterleib der Reglosen dick mit einem durchdringend riechenden Balsam. Der Geruch ähnelte dem der Salben, mit denen Starrheim und Sebastian behandelt worden

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