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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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der Stadt geebnet. Dafür müsste er ihr eigentlich dankbar sein.
    Er strich ihr beinahe zärtlich über die Wange und erwiderte ihr Lächeln. »Nein, nicht ins Kontor! Wir gehen nach oben!«
    Ilga nickte eifrig, denn sie war froh, diesmal nicht die eisernen Beschläge der Geldtruhe im Rücken spüren zu müssen. Wie es aussah, wollte Otfried sie endlich in sein Bett mitnehmen, und das schien ihr das erlösende Zeichen zu sein. Nun konnte es nicht mehr lange dauern, bis er sein Versprechen einlöste, sie nach Radegunds Tod zu seinem angetrauten Eheweib zu machen.
    Etwas enttäuscht bemerkte sie, dass er an den Türen der Schlafkammern vorbeiging und die Treppe zum Speicher nahm. Als Otfrieds Vater noch gesund gewesen war, hatten sie sich dortoben getroffen und es miteinander getrieben. Es war auf alle Fälle bequemer als die Truhe im Kontor, die Otfried zuletzt vorgezogen hatte, sagte sie sich und folgte ihm, ohne ihre Enttäuschung zu zeigen.
    Otfried blieb oben neben der schmalen Treppe stehen und ließ Ilga an sich vorbeigehen. Dann schloss er die Falltür und deutete auf einen abgetrennten Teil des Speichers, in dem alte Möbel und nicht mehr gebrauchter Hausrat aufbewahrt wurden. Dort, jenseits der Fässer und der Kisten mit den wertvollen Waren, befand sich ihr ehemaliges Liebesnest.
    Da Ilga erwartungsvoll vor ihm hertänzelte, sah sie nicht, dass er einen der gut daumendicken Stricke aufnahm, mit denen die Knechte die Waren hochhievten, und ihn hinter seinem Rücken versteckte. Als er zu ihr aufschloss, stand sie bereits neben dem alten Bett, das sie früher öfters benützt hatten.
    »Soll ich die Decken ausschütteln? Sonst wird es stauben, wenn Ihr heftig zu Werke geht«, sagte sie, während sie aus ihrem Kleid schlüpfte und zwei prachtvolle Brüste sehen ließ. Da Otfried nicht antwortete, trat sie unter das kleine Dachfenster, damit er sehen konnte, was er an ihr hatte.
    Willinger spürte, wie es sich unter seiner Bruche spannte, und erwog einen Augenblick lang, die Frau vorher noch zu benutzen. Doch dann schüttelte er diese Anwandlung mit einer heftigen Kopfbewegung ab und trat hinter sie.
    Ilga glaubte, er wolle sie auf diese Weise nehmen, und reckte ihm ihr Hinterteil herausfordernd entgegen. Bevor sie begriff, was mit ihr geschah, hatte er ihr den Strick um den Hals geworfen und zog ihn mit voller Kraft zu. Einige Augenblicke versuchte sie, das Seil mit den Händen wegzuzerren, dann schüttelten Krämpfe ihren Körper und kurz darauf sackte sie leblos in sich zusammen.
    Otfried ließ sie fallen wie eine faulige Frucht und blickte mit einem Gefühl des Ekels auf sie hinab. Dann atmete er ein paarmal tief durch, knüpfte eine Schlinge und streifte sie der Toten über den Kopf. Das andere Ende warf er über einen der Querbalken, die das Dachgebälk trugen. Mit einer Kraftanstrengung, die ihm den Schweiß auf die Stirn trieb, zog er den Leichnam hoch, bis die Füße frei in der Luft schwangen, und schlang den Strick um einen Pfosten. Zuletzt suchte er noch einen alten Schemel aus dem herumliegenden Gerümpel heraus und legte ihn so neben die Gehängte, als hätte sie ihn selbst umgestoßen.
    Als er zurücktrat und sein Werk begutachtete, sah es so aus, als habe die Magd sich in geistiger Umnachtung nackt ausgezogen und dann Selbstmord begangen. Zufrieden mit sich kehrte Otfried ihr den Rücken, schloss leise die Falltür und schlich die Treppen hinab. Kurz entschlossen verließ er das Haus, denn er wollte nicht daheim angetroffen werden, wenn die Tote gefunden wurde.

XI.
    Etwa zu der Zeit, in der Ilgas hochfliegende Träume ein jähes Ende fanden, erreichte Rigobert Böhdinger das Gürtler-Anwesen. Der Pförtner erkannte ihn zunächst nicht und fragte ihn nach seinem Begehr. Erst in dem Augenblick wurde Rigobert sich seiner Umgebung bewusst. Er hob den Kopf und fuhr den Mann an: »Siehst du nicht, dass ich es bin?«
    Erstaunen zeichnete sich auf dem Gesicht des Knechts ab. »Der junge Herr! Seid Ihr aber lange ausgeblieben!«
    »Jetzt bin ich wieder da.« Rigobert ging an ihm vorbei, doch ehe er die Haustür erreichte, sprang diese auf und seine Mutter tratheraus. Sie hatte ihn durch ein Fenster kommen sehen und im Gegensatz zum Pförtner sofort erkannt.
    »Mein Rigo! Endlich bist du zurück. Ich war in solcher Sorge um dich.« Sie schlang ihre Arme um ihn, als wolle sie ihn nie mehr loslassen, und tränkte sein Wams mit ihren Tränen. Doch sie fasste sich schnell und zog ihn mit sich. »Komm herein!

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