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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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geschnallt?«, wollte Tilla wissen.
    Der Mönch nickte. »Ja! Sie sind zu Schildkröten geworden, um von den englischen Hornissen nicht gestochen zu werden.«
    Bei dem Gedanken, dass Sebastian diesen fürchterlichen Waffengegenüberstehen würde, schauderte Tilla und sie starrte auf die Engländer, als könne sie diese allein durch ihren Willen schwächen. Es waren weniger Ritter darunter als bei den Franzosen, und die Gesamtzahl dieses Heeres schien ebenfalls kleiner zu sein, als man in Bertrand du Guesclins Lager geschätzt hatte. Selbst die Ausrüstung wirkte den siegessicheren Mienen der Männer zum Trotz eher karg. Sie hatten keine Kanonen dabei, und die Fußknechte vermochten nicht ihr gesamtes Gepäck auf Bagagewagen laden, wie es im Heer des französischen Anführers der Fall war.
    Diese Erkenntnis erleichterte Tillas Herz ein wenig. »Glaubt Ihr wirklich, dass die Franzosen sich viele Sorgen wegen dieser Leute da machen müssen?«
    »Es kommt nicht auf die Zahl der Krieger an, sondern auf den Geist, der sie antreibt. Die Engländer haben unter ihrem Prinzen Eduard viele Schlachten gewonnen und erst im letzten Jahr Heinrich von Trastamara und die mit ihm verbündeten Franzosen besiegt. Jetzt sind sie fest überzeugt, dies wiederholen zu können.«
    »Das will ich nicht hoffen!«, stieß Tilla erschrocken aus.
    »Schlägt dein Herz für die Franzosen?« Der Mönch war ein Baske aus Navarra und schien seinem Tonfall und seiner Miene zufolge auf Seiten der Engländer zu stehen.
    »Es schlägt für keine Seite. Aber ich habe Angst um meine Freunde, die von du Guesclin dazu überredet wurden, in seinem Heer zu kämpfen.« Tilla seufzte und wies auf eine Gruppe von Mönchen, die den Engländern von draußen aus zusahen. »Haben deine Freunde denn keine Angst vor den Soldaten?«
    »Wären es Franzosen, müssten sie sie fürchten. Die Engländer werden streng bestraft, wenn sie ohne Befehl plündern und marodieren, während die französischen Soldaten weder Freundnoch Feind schonen. Viele der französischen Söldner haben sich, als sie wegen des Waffenstillstands zwischen den beiden Reichen nicht mehr gebraucht wurden, zusammengerottet und Teile des Landes wie Heuschrecken heimgesucht.«
    Tilla dachte an den Tag, an dem ihre Gruppe ein Opfer dieser Marodeure geworden war, und ihr lief es kalt den Rücken herab. Nun war sie froh, disziplinierte Engländer vor sich zu sehen, auch wenn sie aus ihrer Sicht Feinde waren.
    Der Mönch fühlte sich bemüßigt, ihr mehr über den schon seit drei Jahrzehnten schwelenden und immer wieder aufflammenden Konflikt zwischen den Engländern und Franzosen zu erzählen, der nur deswegen ausgebrochen war, weil der englische König ebenso ein Anrecht auf die Krone Frankreichs zu haben glaubte wie das französische Adelsgeschlecht der Valois. Seine Erzählung glich der jener Kölner Pilger, die Vater Thomas in Roncevalles von den Verhältnissen im Norden Spaniens berichtet hatten, und doch hörte sie sich in großen Teilen anders an. Zuletzt ließ er sich bedauernd über die Tatsache aus, dass die Engländer nur ein recht kleines Kontingent an Soldaten gesandt hatten, um dem König von Kastilien beizustehen. »Prinz Eduard ist König Pedro immer noch gram, weil dieser ihn im letzten Jahr um die versprochenen Soldgelder betrogen hat. Aus diesem Grund hat er sich diesmal geweigert, Krieger zu schicken.«
    Tilla runzelte die Stirn. »Aber das da sind doch Engländer!«
    »Ja, aber keine Männer des Prinzen Eduard, sondern die seines Bruders, des Herzogs von Lancaster. Der ist mit einer Tochter König Pedros verheiratet und hegt die Hoffnung, dessen Thron erben zu können. Die Männer, die dort vorbeiziehen, muss er aus seiner Privatschatulle bezahlen. Sein Vater, der König, und sein Bruder geben ihm nichts dazu.«
    Tilla verbarg vor ihm, wie froh sie über diese Tatsache war, und betete zu Gott, dass Sebastian gesund und heil aus diesem Krieg zurückkehren würde. Er war ein Narr gewesen, sich auf diese Sache einzulassen. Andererseits verstand sie ihn. Wenn er nicht für immer der Knecht seines Bruders bleiben wollte, musste er sich etwas Eigenes schaffen, und dies ließ sich in diesen harten Zeiten nur mit Hilfe von Beutegut verwirklichen.

X.
    Es dauerte einige Augenblicke, bis Otfried Willinger in den beiden Männern, die sonnenverbrannt wie Bauern auf ihn zukamen, seine Emissäre erkannte, die er hinter Tilla hergeschickt hatte. Ihre Gesichter wirkten ernst, als hätten sie nichts Gutes

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