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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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eine mit Werg ausgestopfte Kappe trug. Dafür aber hatte er den größten Schild von allen, ein plumpes, viereckiges Ding, das ihm, wenn er es auf den Boden stellte, bis an die Brust reichte. In der Hand hielt er eine übermannslange Hellebarde, während Sebastian einen Kampfhammer mit eisenbeschlagenem Schaft mit sich führte.
    Der Vierte, der zu Starrheims engerem Gefolge zählte, war ein französischer Veteran mit nur einem Auge, das ständig in Bewegung war, um sowohl den Feind wie auch Saint Vith und dessen Freunde zu beobachten. »Die Kerle sollten absteigen! Hoch zu Ross sind sie ein gefundenes Fressen für die Engländer. Ich war als blutjunges Bürschchen in Crécy dabei und zuletzt auch in Poitiers. Diese Schlachten haben wir nur wegen solch sturer Kerle wie diesen verloren. Je mehr Eisen so ein Ritter trägt, umso mehr Hirn schwitzt er aus. Keine Disziplin, sage ich euch, und nur Gloire im Sinn! Die fallen wahrscheinlich als Erste den englischen Langbogenschützen zum Opfer, deren Pfeile verdammt weit fliegen und Panzer und Fleisch durchdringen. Da hilft nur Beten und Vorwärtsrennen, und das werden wir gleich tun.«
    Der Alte zeigte auf Saltilieu, der eben ein paar Schritte vortrat und den Arm hob. »Ich rate euch, zu Beginn langsam zu gehen,um Kraft zu sparen. Aber wenn die Pfeile schwirren, dann lauft los, egal was geschieht!«, erklärte der Veteran und hob seinen Spieß.
    »Ja, jetzt gilt es!« Starrheim grinste Sebastian durch sein offenes Visier an. Er hatte nicht die Absicht, es zu schließen, denn im Kampf zu Fuß kam es anders als zu Pferd darauf an, mehr zu sehen als die Ritter, die einem entgegensprengten.
    Auf Saltilieus Befehl rückten die eigenen Bogenschützen vor. Sie waren leicht gepanzert und fast jeder trug einen Helm oder Eisenhut. In der linken Hand hielten sie ihren Bogen, während die Rechte bereits den ersten Pfeil auf der Sehne hielt. Ihre Reservepfeile hatten sie in den Gürtel gesteckt.
    »So, jetzt sind wir dran!« Starrheim hob sein Schwert und ging voran.
    Sebastian musste sich zwingen, ihm zu folgen, denn so, wie er es sich vorgestellt hatte, sah der Krieg nun doch nicht aus. Im Unterschied zu der Bürgerwehr von Tremmlingen und deren Übungen wirkte hier alles erschreckend ernst. Er blickte kurz nach rechts und fand dort Sepp, der bleich und mit starrer Miene neben ihm marschierte, und dann nach links zu dem einäugigen Veteran. Dieser stimmte nun ein Lied an, so locker, als wäre er auf einem Jahrmarkt, und zu Sebastians Verwunderung wurde es von den anderen Soldaten begeistert aufgenommen. Sie verwendeten einen Dialekt, dessen Worte er nicht verstand, und doch ertappte er sich dabei, dass er bereits beim zweiten Mal in den Refrain einfiel und die Engländer als Hurensöhne bezeichnete.
    Nun hatte sich das gesamte, mehr als fünfzehnhundert Mann zählende Heer der Franzosen in Bewegung gesetzt, und je näher sie der Anhöhe kamen, umso mehr wurde offenbar, dass der Feind kaum schwächer war.
    »Gleich schießen sie, dann heißt es, sich hinter die Schilde zu ducken«, rief der Einäugige.
    Sebastian befolgte den Ratschlag sofort und erntete Gelächter. »Erst wenn die Pfeile kommen! Keine Angst, die kannst du nicht überhören!« Noch während der Franzose es sagte, stieg über den englischen Linien eine dunkle Wolke auf. Ein Rauschen und Sirren hub an, als fegten Hunderte Höllenteufel durch die Lüfte. Die Pfeile flogen zunächst recht steil in die Höhe, wandten sich dann der Erde zu und stürzten wie Hagel auf die Franzosen herab.
    Sebastian hob seinen Schild und duckte sich so gut es ging. Ein Schlag traf seine Wehr, ein weiterer Pfeil raste direkt vor seinen Füßen in den Boden, und nicht weit von ihm entfernt sah er Männer fallen. Starrheim und Sepp aber schienen nicht verletzt zu sein, denn sie begannen zu rennen.
    Die eigenen Bogenschützen waren jetzt nahe genug, um den Beschuss der Engländer erwidern zu können. Ihre Pfeile sausten auf den Hügel zu, zogen jedoch keine so hohe Bahn und machten auch nicht so viel Lärm. Dennoch sah Sebastian Engländer fallen und fasste wieder Mut.
    »Auf sie!«, schrie er und rannte seinen Freunden nach.
    Die nächsten Augenblicke erlebte er wie im Rausch. Er hörte die Pfeile schwirren und sah, wie deren Schäfte wie Korn vor ihm aus dem Boden wuchsen. Neben ihm stürzten Männer wie vom Schnitter dahingemäht, doch es war, als triebe ein Höherer ihn vorwärts. Die englischen Verhaue tauchten vor ihm auf. Sie bestanden aus

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