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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hätte, wenn sein Onkel nicht im Hochzeitsbett gestorben wäre. Ihm waren die Striemen aufgefallen, die die junge Frau am Morgen nach der Hochzeit unter einem viel zu dünnen Hemd zu verbergen versucht hatte.
    Nun erst wurde ihm klar, von welchem Hass dieses Haus erfüllt war. Seine Mutter und die Tante hatten bereits gegen ihre erste Schwägerin gegiftet und ihn und die anderen Kinder zu bösen Streichen animiert, Tilla aber hatten sie offen bekämpft. Wäre die junge Frau nicht von der hier herrschenden Bosheit vertriebenworden, hätte sie nicht in der Ferne sterben müssen. Seine Familie aber konnte von Glück sagen, dass Otfried kein fürsorglicher Bruder war, denn sonst hätte es ihnen schlecht ergehen können. Für den jungen Willinger war Tilla jedoch nur ein Mittel zu dem Zweck gewesen, sich mit Veit Gürtler zu verbünden und sich nach dessen Tod die Herrschaft über das Handelshaus zu sichern.
    Mit einem Mal machte er sich Vorwürfe, weil er nicht daheim geblieben war und auf Radegund aufgepasst hatte. Vielleicht wäre sie dann noch am Leben. Bei diesem Gedanken wunderte er sich über sich selbst. Die lange, harte Reise hatte eine Veränderung in ihm ausgelöst, die ihn nun verunsicherte, und zum ersten Mal bedauerte er es, nicht bis nach Santiago gereist zu sein und den heiligen Apostel um seinen Segen gebeten zu haben. Seine Familie und er hätten diesen dringend benötigt.

XII.
    Sebastian wünschte sich den kühlen Kopf und den Gleichmut, die Starrheim auszeichneten, denn der Edelmann wirkte so unerschütterlich wie ein Fels. Graf Rudolf hatte die Hände auf sein mächtiges Schlachtschwert gestützt und blickte mit einem leicht spöttischen Zug um den Mund zu den Engländern hinüber, die auf der Kuppe eines leicht ansteigenden Hügels Aufstellung genommen hatten. Die Truppen des Herzogs von Lancaster hatten ihre Position zusätzlich noch mit Verhauen verstärkt und waren dadurch klar im Vorteil.
    Dreimal hatte Aymer de Saltilieu den Engländern den Weg nach Süden verlegt und dabei jedes Mal vergebens gehofft, der Feind würde eine offene Feldschlacht annehmen. Die Engländer, die nicht von John of Gaunt, dem Herzog von Lancaster, sondern von dessen Stellvertreter Sir Walter of Graile angeführt wurden, waren jedoch jedes Mal ausgewichen und hatten versucht, ihren Gegner auszumanövrieren und zu umgehen. Diesmal hatten Saltilieu und die meisten seiner Offiziere erwartet, die Engländer würden wieder genauso handeln, und sich – von Starrheims einstigem Freund Philippe getrieben – für Verfolgung und Angriff entschieden. Aber wie es nun aussah, hatten die Engländer genau das erwartet und sich verschanzt.
    »Der Teufel hole Saint Vith!« Eigentlich hätte es nur ein Gedanke sein sollen, doch Sebastian sprach ihn laut aus.
    Starrheim antwortete mit einem leisen, aber recht vergnügten Lachen. »Lieber nicht! Schließlich soll er heute tapfer kämpfen und zeigen, dass er und seine Freunde im Recht sind. Schließlich haben alle aus seinem Kreis gefordert, die Truppen des Herzogs von Lancaster endlich zur Schlacht zu zwingen. Also ist der Mann, den ich einmal Freund genannt habe, nur einer von mehreren, die sich wichtig gemacht haben.« Ein leichtes Zähneknirschen begleitete diese Worte, denn Starrheim hatte Saint Vith weder die Beleidigungen noch die Tatsache verziehen, dass dieser seine Braut vor den Altar geführt hatte.
    »Ich hoffe, die Herren um Euren ehemaligen Freund sind nicht nur mit dem Mundwerk tapfer!« Sebastian richtete seinen Blick dabei auf eine Gruppe von Rittern, die im Gegensatz zu Saltilieu, Starrheim und den meisten anderen Edelleuten nicht von ihren Pferden abgestiegen waren, sondern hoch zu Ross und mit eingelegter Lanze auf den Angriffsbefehl warteten.
    »Saint Vith wird eher sein Pferd erschlagen, als ihm zu erlauben, auch nur einen Schritt rückwärtszugehen.« Starrheim zog die Schultern hoch und streckte sie ein wenig, weil ihn das Kettenhemdeinengte, das für einen anderen gemacht worden war. Genauso wie den altmodischen Helm, die Beinschienen und das Schwert hatte er es von dem Besitzer einer Burg erhalten, der ihm beinahe ehrfürchtig erklärt hatte, diese Rüstung hätte sein Großvater in mehreren Schlachten getragen.
    Sebastian war auch nicht ganz ohne Schutz, denn für ihn hatte Starrheim einen schüsselartigen Eisenhut und ein Lederwams mit aufgenieteten Eisenplatten organisiert. Damit war er deutlich besser ausgerüstet als Sepp, der nur ein gestepptes Wams und

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