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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hochrotem Kopf dasaß und sich in das nächste Mauseloch wünschte. Einer der Männer, der bereits ein wenig angetrunken war, kam auf ihn zu und legte ihm den Arm um die Schulter. »Wenn du ein hübsches Stück Weiberfleisch in den Armen halten willst, musst du schon nach Neuburg oder Tremmlingen laufen. Dort gibt es Hurenhäuser, in denen ein junger Bursche wie du sein Schwengelchen für ein paar Münzen rühren kann.«
    »So nötig habe ich es auch wieder nicht.« Sebastian hoffte, den anderen auf diese Weise loszuwerden. Der aber setzte sich jetzt richtig an seinen Tisch und schob ihm den Becher zu.
    »Hier, trink! Davon hast du mehr als von ein paar weichen Frauenschenkeln, vor allem, wenn diese sich nicht für dich öffnen wollen.«
    Erneut setzte ein Lachsturm ein und ließ Sebastian bedauern, in diesem Wirtshaus Unterkunft gesucht zu haben. Ein Blick in die Runde zeigte, dass ihn keiner hier ernst zu nehmen schien. In Gedanken verfluchte er die Wirtsmagd, die ihn zuerst angeheizt und dann dem Spott der Leute überlassen hatte. Er schloss die Finger um den Becher und führte ihn zum Mund. Doch der Wein schmeckte ihm nicht mehr. Ärgerlich setzte er den noch fast vollen Becher wieder ab und verzog das Gesicht, denn das Gesöff hinterließ einen ekelhaft bitteren Nachgeschmack.
    »Ich gehe zu Bett.« Während Sebastian aufstand, schnappte sich der aufdringliche Zechkumpan seinen Becher und trank ihn in einem Zug leer. Dabei blitzte er Sebastian herausfordernd an. Diesem lag jedoch nichts mehr an dem Getränk. Sollte der Wirt es ihm in Rechnung stellen, dann hatte er den Becher einem Betrunkenen spendiert.
    Mit diesen Gedanken verließ Sebastian die Wirtsstube undstieg nach oben. Auch der Zecher, der ihn bedrängt hatte, kehrte an seinen Platz zurück. Dafür kam die Wirtsmaid an den Tisch, um den zurückgelassenen Becher zu holen. Als sie sah, dass dieser leer war, leuchteten ihre Augen auf und sie zwinkerte dem Schankknecht zu, der gerade einen neuen Krug mit dem säuerlichen Wein aus dieser Gegend füllte.
    Der Schenk sah den leeren Becher und grinste. »Gut gemacht, Mädle. Der letzte Schluck dürfte dem jungen Gimpel besonders gemundet haben.«
    Dann reichte er ihr den vollen Krug und blickte zufrieden auf die offene Tür, hinter der die Treppe zu sehen war, welche zu den Kammern der Gäste hochführte.

IV.
    Obwohl Sebastian nach dem langen Marsch und durch den genossenen Wein müde geworden war, schlief er lange nicht ein. Die Kammer, die man ihm gegeben hatte, roch muffig, und er hätte gerne etwas Luft hereingelassen. Obwohl er das Fenster mit dem Binsenlicht untersuchte, welches er unten mitgenommen hatte, fand er keine Möglichkeit, es zu öffnen. Schließlich zuckte er bedauernd mit den Schultern und legte sich aufs Bett. Es war bei weitem nicht so bequem wie sein eigenes und überdies feucht. Auch haftete dem Strohsack und dem Laken der Schweißgeruch früherer Schläfer an.
    Sebastian war bislang nur aus Tremmlingen hinausgekommen, wenn er seinen Vater zu Geschäftsfreunden in nicht allzu weit entfernte Städte begleitet hatte, und einmal war er mit anderen Wallfahrern nach Einsiedeln gewandert. Auf all diesen Reisen aber hatte er bei Bekannten oder entfernten Verwandten seinerFamilie gewohnt, und daher waren Erfahrungen dieser Art neu für ihn. Er tröstete sich damit, dass er es weitaus schlechter hätte treffen können, denn gewöhnliche Leute mit schmalem Geldbeutel mussten auf den harten Bänken der Wirtsstube übernachten. Bei der Vorstellung, jetzt unten in den eigenen Mantel gehüllt und vielleicht sogar an einen anderen Zecher geschmiegt schlafen zu müssen, damit ihm warm wurde, schauderte es ihn. Wahrscheinlich schnarchten die Kerle dort unten entsetzlich und Flöhe würde er auch erben.
    Irgendwann musste er weggedämmert sein, denn ein schabendes Geräusch ließ ihn hochschrecken. Das Binsenlicht war längst ausgegangen, dafür schien der Mond durch die Schweinsblase, die das Fenster verschloss, genau auf die Tür. In dem Dämmerlicht konnte Sebastian erkennen, dass der hölzerne Riegel, den er am Abend vorgelegt hatte, sich langsam bewegte. Zuerst kniff er die Augen zusammen und öffnete sie wieder, um sicher zu sein, dass er keiner Täuschung unterlag. Der Riegel öffnete sich jedoch weiter und glitt lautlos in die Ausgangsstellung zurück. Dann wurde die Tür geöffnet.
    »Sei vorsichtig«, hörte Sebastian jemand flüstern, den er für einen Mann hielt.
    Eine Frauenstimme antwortete.

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