Die Pilgerin
hergeschickt haben? Das war gut möglich. Der junge Böhdinger war Tillas angeheirateter Neffe, und über Antons beinahe hündische Ergebenheit zu ihrem Bruder hatte er sich oft genug amüsiert.
Als Sebastian länger über die Begegnung nachsann, beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Abgesehen davon, dass er Otfried für feige und verantwortungslos hielt, weil dieser nicht selbst nach seiner Schwester suchte, hätte ein Mann, der von zwei Knechten begleitet wurde, auch gereicht. Außerdem fehlte ein Reittier, auf dem sie Tilla hätten zurückbringen können. Seine Phantasie gaukelte ihm vor, dass diese Leute der jungen Witwe nicht gut gesinnt waren und ihr vielleicht sogar etwas antun wollten.Schnell rief er sich zur Ordnung und schob diese Vorstellung auf den Neid, der ihn beim Anblick der Pferde beschlichen hatte.
Nach längerem Nachdenken beschloss er, die Suche aufzugeben. Rigobert und der jüngere Schrimpp waren viel schneller als er und würden Tilla wohl bald eingeholt haben. Er aber war nun frei, etwas zu unternehmen, was ihn schon lange reizte, nämlich den Landsitz des bayerischen Emissärs Georg von Kadelburg aufzusuchen und dort herumzuschnüffeln. Wenn es ihm gelang, etwas Wichtiges in Erfahrung zu bringen, würde sein Vater mit seiner Entscheidung, die Suche nach Tilla aufzugeben, schon eher einverstanden sein.
Erleichtert, weil er sich um etwas kümmern konnte, das in seinen Augen sinnvoller war als hinter einem verrückten Weibsstück herzurennen, drehte Sebastian sich um und prüfte den Sonnenstand. Der Tag war nicht mehr jung und mehr als eine oder zwei Meilen würde er nicht zurücklegen können. Doch wenn er am nächsten Morgen früh aufbrach, konnte er die Kadelburg am späten Abend des folgenden Tages erreichen.
Als eine Herberge in Sicht kam, fühlte er sich immer noch so angespannt wie eine Bogensehne und war alles andere als müde. Der Knecht am Tor beachtete ihn zunächst nicht, sondern hielt nach Reitern und Wagenzügen Ausschau. Erst als Sebastian so nahe gekommen war, dass der Mann die guten Stoffe seiner Kleidung und ihren vortrefflichen Schnitt erkennen konnte, wieselte er devot auf ihn zu.
»Der edle Herr hat wohl unterwegs sein Ross verloren? Nun, bei uns findet er gewiss Ersatz. Doch kommt erst einmal herein. Ein gut gesottenes Stück Fleisch wartet auf Euch und ein weiches Bett, in dem Ihr in der Nacht herrlich träumen werdet.«
Das Geschwätz des Wirtsknechts ließ Sebastian spüren, dass er tatsächlich hungrig war. Auch der Durst meldete sich und ehe ersich versah, saß er auf einer Bank in der Wirtschaft, ließ sich von einer hübschen Maid einen guten Tropfen kredenzen und schmauste behaglich. Eigentlich hatte er ja noch ein Stück weitergehen wollen, doch nun entschloss er sich, das Angebot des Wirtes anzunehmen und hier zu übernachten. Dafür würde er am nächsten Tag hurtiger ausschreiten müssen, um sein Ziel zu erreichen.
»Noch ein Krüglein?« Die dralle Wirtsmagd kam mit wiegenden Hüften auf ihn zu und wollte erneut einschenken.
Sebastian hob abwehrend die Hand. »Nein danke, ich muss morgen in aller Frühe weiterziehen und da darf ich mir keine größere Bettschwere antrinken.«
»Nur einen Schluck, auf Euer und auf mein Wohl!« Die Maid drängte sich an ihn und beugte sich nach vorne. Ihr Mieder klaffte und gab den Blick auf eine Pracht frei, die Sebastian schlucken ließ. Wollte das Mädchen ihm vielleicht ein Angebot für hinterher machen? Reizen würde sie ihn schon. Zu Hause in Tremmlingen hatte er zwar das eine oder andere Mal das Hurenhaus aufgesucht, aber meist angetrunken und mehr von Freunden mitgezogen denn aus eigenem Antrieb. Jetzt aber meldete sein kleiner Sebastian Ansprüche an, die er ihm dank des reichlichen Reisegelds erfüllen konnte.
»Du bist hübsch, Jungfer!« Sebastian streckte die Hand nach der Magd aus und wickelte eine ihrer blonden Strähnen um seinen Zeigefinger. Dabei versuchte er, ein unwiderstehliches Grinsen aufzusetzen. »Hast du heute Nacht etwas vor? Auf die eine oder andere Münze käme es mir nicht an.«
Die Schöne entzog sich ihm so, dass ihr Busen seine Wange streifte, und sah ihn strafend an. »Ich bin kein lockeres Ding, sondern halte mein Kränzlein in Ehren. Zur Strafe für Eure losen Worte trinkt Ihr noch einen großen Becher Wein.« Ohne sich abhalten zu lassen, goss sie ihm den Becher randvoll.
Einige der übrigen Gäste hatten das kurze Zwischenspiel bemerkt und lachten schallend, während Sebastian mit
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