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Die Pinabriefe

Titel: Die Pinabriefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Baltscheit
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schmutzig und nur weil die Sonne scheint, sieht er diesmal nicht ganz so furchterregend aus wie neulich, als er völlig schwarz aus dem Keller kam.
       »Hallo!«, sagt Henrietta und rennt an ihm vorbei.
       »Hallo Henrietta!«, sagt Franz und pustet durch eine der Düsen, dass es pfeift.
       Henrietta dreht sich um. Franz hat »Hallo Henrietta« gesagt. Das ist seltsam, normalerweise sagt er doch nur »hmm« oder »ja, ja«. Franz grinst. Das ist noch seltsamer! Gegrinst hat er noch nie! Naja, vielleicht freut er sich, dass die Dinger so schön pfeifen, denkt Henrietta und läuft weiter.

    Sie öffnet den Briefkasten und ein ganzer Stapel Post fällt ihr entgegen: dicke Prospekte, dünne Briefe mit kleinen Fenstern drin. Die sind alle nicht von Pina, denkt sie. Pinabriefe sind groß und mein Name steht drauf, Pinabriefe sind immer bunt und immer ohne Absender, weil die Post sowieso nicht weiß, wo das Regenbogenland ist.
       »Hoppla! Da steht ja mein Name!« Henrietta nimmt den weißen Umschlag und liest: Henrietta Busch.
       Komisch, der Umschlag sieht ganz anders aus und ... er hat auch einen Absender!
       Hinten auf dem Umschlag, da steht was drauf! Henrietta erkennt ihren Nachnamen: Busch! »Hä, hab ich mir denn jetzt selbst geschrieben?« Unsinn, denkt Henrietta, nimmt den Brief und läuft zur Nachbarin im vierten Stock. »Mann, die wird Augen machen. Pina hat geschrieben! Mit Absender!«
       Aber die Nachbarin ist nicht zu Hause und Henrietta setzt sich auf die Treppe zum Hof.
       Da pfeift der Franz auf seinen Düsen, so als ob er Musik macht.

 

Henrietta überlegt, wer ihr den Brief vorlesen könnte. Papa hat immer gerne vorgelesen, er war zwar selten zu Hause, aber wenn, dann hat er vorgelesen, mit Stimme verstellen und so. Aber Papa ist seit Wochen weg, und Väter die nicht da sind, können nichts vorlesen. Das ist ein Naturgesetz.
       Franz pfeift.
       »Mensch«, denkt Henrietta, »der Franz!«
       Aber sie zögert. Was, wenn er wieder nur »hmm« und »ja, ja« sagt?
       Plötzlich ruft der Franz: »Na, hast du Post bekommen?«
       Der Hausmeister winkt mit seinen schmutzigen Händen und - da! — er grinst schon wieder! Henrietta steht auf, die Sonne scheint ihr direkt ins Gesicht, und sie hält sich die Hand vor die Augen.
       »Ja, hab ich!«
       »Und?«
       »Ich kann doch nicht lesen! Kannst du vorlesen?«
       Henrietta geht zu Franz hinüber und hält ihm den Brief hin. Franz legt die Pfeifdüsen auf die Kiste und wischt sich die Hände an den Hosen sauber.
       »Mmh!«, macht Franz und nimmt den Brief. Er sieht auf den Absender. »Der ist nicht von Pina!«, sagt er. »Der ist von Rolf Busch.«
       Papa? Henrietta erschrickt. Sie nimmt den Brief und jetzt erkennt sie die Handschrift ihres Vaters. Papa, denkt sie und ist wie gelähmt. Vier Wochen weg und erst jetzt einen Brief! Henrietta steht da und kämpft mit den Tränen. Franz sieht das kleine Mädchen und weiß sich nicht zu helfen. Dann nimmt er eine der Düsen und pfeift. Aber Henrietta lacht nicht, zumindest nicht sofort, erst als Franz sich eine zweite und dritte Düse in den Mund steckt und auf allen dreien flötet, lacht sie ... ein bisschen. Henrietta sieht den Hausmeister an und legt den Brief auf die Kiste. »Lies!«, sagt sie, und Franz nimmt die Düsen aus dem Mund. Er atmet tief durch, öffnet den Brief, und überfliegt schnell die wenigen Zeilen.
       »Lies laut!«, sagt Henrietta, und Franz' Stirn legt sich in tiefe Falten. Er beginnt:

    Liebe Mucki,
    es tut mir Leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe, aber ich muss dir leider sagen, dass ...

    Franz macht eine Pause.
       »Was muss er sagen?«, fragt Henrietta.
       »Es ist besser, wenn deine Mama ihn dir vorliest«, sagt Franz und will ihr den Brief zurückgeben.
       »Mama? Ich glaube, die kann Papa nicht mehr leiden. Sie hat gesagt, wenn er noch mal vorbeikommt, kann er gleich wieder gehen.«
       »Mmh«, macht Franz und schaut noch einmal auf den Brief. »Und du?«
       »Wegen mir kann er wiederkommen, er ist doch nur verreist!«
       Franz überlegt. Wenn ein kleines Mädchen einen Brief von ihrem Papa bekommt und weint, dann stimmt da etwas nicht. Und wenn die Mutter des kleinen Mädchens gar nicht mehr will, dass der Papa zurückkommt, dann stimmt da etwas doppelt nicht! Und wenn er, Franz der Hausmeister, keinen Ärger haben will, dann mischt er sich nicht ein und kümmert sich

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