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Die Plastikfresser

Die Plastikfresser

Titel: Die Plastikfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kit Pedler und Gerry Davis
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aufrecht gestapelte Puppen in einem Karton. Zum Fallen war kein Platz, und die das Glück hatten, einen Haltegriff zu erwischen, verhüteten das Chaos. Das ungleichmäßige Dröhnen des Zuges übertönte jede Unterhaltung – Augen starrten auf Schultern, Nacken, Glatzen, Brüste ohne zu sehen.
    Ein übergroßer Mann bückte sich mühsam unter der Decke bis zur Höhe der anderen Köpfe herunter und versuchte vergebens, die Financial Times zu lesen, die er auf dem Rücken seines Nachbarn aufgeschlagen hatte, der gegen ihn gedrängt wurde. Eine dicke Frau, die keuchend atmete, stand schwerfällig spreizbeinig vor einem ungepflegten, bärtigen jungen Mann, der bequem auf seinem Sitzplatz saß, und musterte ihn mit wütenden Blicken, weil er seinen Platz nicht hergab. In der Wagenmitte saß eine junge Mutter, die versuchte, über den Lärm hinweg ihr Baby zu trösten.
    Der Zug hielt plötzlich mit kreischenden Bremsen. Stimmen, die versucht hatten, den Lärm zu übertönen, erstarben, als der fast hypnotische Rhythmus des Zugs erlosch, zu einem verlegenen Flüstern. Dann, mit einem plötzlichen Ruck, bewegten sich die Wagen wieder. Es folgte ein lautes, knallendes Geräusch und der Zug hielt kreischend zum zweiten Male.
    Die Stille war heiß und angstgeladen.
    Die Minuten tickten dahin, und die raschelnden Geräusche der immer nervöser werdenden Passagiere klangen immer ungebärdiger und schließlich gekünstelt laut. Ein paar junge Büromädchen, die an einer Ecke an der Tür die Köpfe zusammensteckten, kicherten über einen Witz, den nur sie allein verstanden.
    Es knisterte unverschämt laut, als der große Mann seine Zeitung zusammenfaltete und wegsteckte, er studierte nun die Anzeigen auf der Holzverschalung über den Sitzen. Eine Anzeige fiel ihm ins Auge – sie pries die Vorteile eines Büros außerhalb von London. Der Mann lächelte gequält.
    Der junge Mann auf dem Sitzplatz schlug mit dem Fuß den Rhythmus zu einem Lied, das er halblaut vor sich hinpfiff, immer wieder blickte er zu der Frau auf, die vor ihm stand. Er blinzelte sie an, sie starrte böse zurück.
    Plötzlich begann unter dem Wagen ein Kompressormotor zu arbeiten. Das hämmernde Geräusch sorgte in der gespannten Stille einen Augenblick lang für Erleichterung. Der Motor setzte aus und wieder ein, dann war in der ungemütlichen Stille nur noch das regelmäßige Knacken von heißem Metall zu hören, das sich irgendwo im Mechanismus des Wagens abkühlte und zusammenzog.
    Fünf Minuten vergingen, die Fahrgäste blickten auf ihre Uhren und dachten an kaltgewordenes, wieder aufgewärmtes Essen und mißtrauische Ehefrauen. Ein dünner, vogelartig aussehender Mann zog ein frommes Brevier aus der Tasche, fing an darin zu lesen, und formte dabei die Worte mit dem Mund. Die Luft wurde heißer. Der junge Mann holte eine Zigarette hervor und zündete sie an. Die dicke Frau zeigte wütend auf das Nichtraucherschild am Fenster. Der Junge drückte die Zigarette aus, so langsam er konnte, starrte dabei die Frau an und streute heiße Asche über ihren Mantelsaum.
    Die halbverglaste Verbindungstür zwischen den Wagen öffnete sich abrupt und ein gutgelaunter Mechaniker in blauem Drillich bahnte sich seinen Weg durch den vollbesetzten Wagen. Die Spannung machte sich in Fragen Luft, die ihm von allen Seiten gestellt wurden.
    »Was ist denn los?«
    »Wie lange wird es dauern?«
    »Sollen wir schieben helfen?«
    Er hob beruhigend die Hände. »Kein Grund zur Aufregung, meine Damen und Herren. Es ist nur ein kleiner Signalfehler, sonst nichts.« Über das Stöhnen hinweg, das seiner Auskunft folgte, sagte er laut: »Wir lassen Sie jetzt aussteigen und durch den Tunnel hinunter bis zum nächsten Bahnhof gehen.«
    »Und was ist mit den Schienen? Da elektrisiert man sich doch!«
    »Quatsch!«
    »Wie weit ist denn das?«
    »Aber! Aber! Aber!« Er genoß die Rolle, die er plötzlich so unerwartet spielen durfte; mit einemmal konnte er befehlen. »Kein Grund zur Aufregung, Leute!« sagte er begütigend. »Der Strom ist abgeschaltet. Nur ein kleiner Spaziergang, das ist alles. Es ist ein wenig staubig, aber das ist nicht weiter schlimm. Kommen Sie jetzt bitte mit. Gehen Sie bitte in den vorderen Wagen durch, dann geht alles in Ordnung …«
    Freundlich schob er die Fahrgäste durch die offene Tür hinter sich. Dann ging er einen Wagen weiter, während die Fahrgäste protestierend durch die Tür in den nächsten Wagen gingen. Die Menschen, die in das Verbindungsstück traten,

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