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Die Poggenpuhls

Die Poggenpuhls

Titel: Die Poggenpuhls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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reichlichsten Gebrauch und fertige Skizzen über Skizzen. Und da ist es denn auch wohl an der Zeit, Dir, meine gute Alte, von dem neuen Plan zu erzählen, hinsichtlich dessen ich schon vor ein paar Wochen, bald nach meinem Eintreffen hier, einige kurze Andeutungen machte. Statt mit dem Malen von Wappentellern bin ich nämlich, höre und staune, mit Ausmalung unsrer protestantischen Kirche (das Dorf hat, wie fast überall hier, auch eine katholische) betraut worden, und zwar sollen in all die tiefer liegenden Felder, die sich um die Kirchenempore herumziehen, auf Holz gemalte biblische Bilder eingelassen werden, jedes etwa von der Größe eines zusammengeklappten Spieltisches. Eine freilich etwas sonderbare Maß- und Größenangabe, wenn ich bedenke, daß es sich um eine Kirche handelt. Natürlich wird es nichts großartig Kunstmäßiges werden, dafür ist gesorgt, aber doch auch nichts Schlechtes, und, was mich am meisten beglückt, ich werde die Aufgabe ganz neu zu lösen trachten. Also: »Joseph wird nach Ägypten hin verkauft«, »Judith und Holofernes«, »Simson und Delila« – all dergleichen denk ich fallenzulassen und dafür das zu nehmen, worin das Landschaftliche vorherrscht. Meine Bemühungen gehen mithin zunächst dahin, in der Bibel nach Stoffen mit guter Szenerie zu suchen und solche, wenn ich sie gefunden, in wenig Strichen hinzuwerfen, so gut es in meiner gegenwärtigen Lage geht.
    Aus der Länge meines Briefes siehst Du, daß es mir trotz alledem und alledem sehr gut ergeht. Manon wird dies vielleicht bestreiten und sich darauf berufen, daß man, weil man Briefe vorläufig noch mit der Hand schreibe, keine Schlußfolgerungen daraus auf das Wohlbefinden des Fußes ziehen dürfe. Das ist aber falsch. Wenn man einen kranken großen Zehen hat, d.h. wirklich krank, so kann man ebensowenig schreiben, wie wenn es ein kranker Daumen wäre.
    Laß mich recht ausführlich hören, wie's Euch geht. Auch Friederike soll mir schreiben; Dienstbotenbriefe sind immer so reizend, so ganz anders wie die der Gebildeten. Die Gebildeten schreiben schlechter, weil weniger natürlich; wenigstens oft. Das Herz bleibt doch die Hauptsache. Nicht wahr, meine liebe gute Alte?! Du weißt das am besten. Und Therese soll mir eine Beschreibung von der Soiree bei Bronsarts machen und ob lebende Bilder gestellt wurden und welche. Und Manon soll mir von Bartensteins schreiben und dem Ball und ob sie mitgetanzt hat und mit wem. Und welche Toilette sie hatte. Manon versteht es, aus ein bißchen Tüll und einem Rosaband ein Feenkostüm zu machen. Und nun lebe wohl. Die Tante will noch ein paar Zeilen (vielleicht einen Krankenbericht) mit beilegen. Wie immer Deine Dich herzlich liebende
    Sophie
     
Elftes Kapitel
     
    Während der Wochen, wo diese Korrespondenz zwischen Berlin und Schloß Adamsdorf ging, ging auch ein Briefwechsel zwischen Berlin und Thorn. Leo begann mit einer Karte an Manon, die, nachdem sie geschrieben, wohlweislich noch in ein Couvert gesteckt worden war.
     
    Thorn, 8. Januar
     
    Seit drei Tagen wieder da. Kopernikus steht noch. Im ganzen Neste riecht es nach Bierfisch, was übrigens nicht ganz richtig ist, denn sie kochen hier die Karpfen mit Pfefferkuchen und Ungarwein. In diesen Stücken sind wir Euch überlegen; freilich geht man etwas mißbräuchlich damit vor. – Wendelin empfing mich am Bahnhof, furchtbar artig, aber doch auch sehr gnädig. Er übertreibt es; Gönnermiene, ganz Generalstab. Und er ist es noch nicht mal. Natürlich kommt er dazu. Soviel Tugenden kann sich der Staat nicht entgehen lassen. Verzeih diese Malicen, aber wenn man sich so verschwindend klein fühlt, hat man nichts als Schändlichkeiten, um sich vor sich und andern zu behaupten. Der Wurm krümmt sich. Ich schreibe morgen wieder, vielleicht noch heute, wenn mir das Rekrutenexerzieren nicht den Lebensodem nimmt. »Dobry, dobry« und dazwischen »Schafskopp«. Tausend Grüße.
    Dein Leo
     
    An den Rand der Karte war noch eine Nachschrift gekritzelt.
    »Eben kommt eine Einladung zu heut abend; engster Zirkel. Wohin, brauche ich Dir wohl nicht erst zu sagen. Esther übrigens heute früh schon am Fenster gesehen – pompös, ja fast Pomposissima, was mich ein wenig ängstigt. Denn sie ist erst 18. Wohin soll das am Ende führen?«
     
    Drei Tage nach Empfang antwortete Manon.
     
    Berlin, 12. Januar
     
    Mein lieber Leo! Habe Dank für Deine Zeilen, die mich herzlich erfreut haben, weil sie so ganz Du selbst waren. Deine Karte,

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