Die Poggenpuhls
so gestaltet hätte, was denn für ein Unterschied gewesen wäre zwischen den so verpönten Blumenthals und den mit so vielem Empressement empfohlenen Bartensteins. Ja, Du fügst hinzu, Blumenthal führe seit Jahr und Tag den Kommerzienratstitel und solche Staatsapprobation durch eine doch immerhin christliche Behörde sei zwar nicht die Taufe selbst, aber doch nahe daran, und so sei denn Haus Blumenthal dem Hause Bartenstein eigentlich um einen Pas voraus. Ach, lieber Leo, das klingt ganz gut, und als einen Scherz will ich es gelten lassen, aber in Wahrheit liegt es doch anders. Bei Bartensteins war der Kronprinz, Bartenstein ist rumänischer Generalkonsul, was höher steht als Kommerzienrat, und bei Bartensteins waren Droysen und Mommsen (ja, einmal, kurz vor seinem Hinscheiden, auch Leopold von Ranke), und sie haben in ihrer Galerie mehrere Bilder von Menzel, ich glaube einen Hofball und eine Skizze zum Krönungsbild. Ja, lieber Leo, wer hat das? In einem Damenkomitee für das Magdalenum sitzt Frau Melanie, das ist der Vorname der Frau Bartenstein, seit einer Reihe von Jahren, Dryander zeichnet sie bei jeder erdenklichen Gelegenheit aus... Und dann Esther und Flora selbst! Es
ist
ein Unterschied,
muß
ein Unterschied sein. Ich beschwöre Dich: überlege – vor allem aber – und das ist das, was ich Dir nicht genug ans Herz legen kann –, vor allem wiege Dich nicht in der eitlen Vorstellung, daß man hier, bloß weil
ich
es im stillen so sehr, sehr wünsche, daß man hier etwa bang und sehnlichst auf Dich wartete. Die Wünsche beider Eltern, auch Floras selbst, gehen unzweifelhaft nach der Adelsseite hin, aber doch sehr mit Auswahl, und wenn beispielsweise bei Frau Melanie – die sich ihrer und ihres Hauses Vorzüge sehr wohl bewußt ist – die Entscheidung läge, so weiß ich ganz bestimmt, daß sie's unter einem Arnim oder Bülow nicht gern tun wurde. Und nun berechne danach die Chancen der Poggenpuhls! Sie sind, trotz Therese, nicht eben überwältigend, und Deine persönliche Liebenswürdigkeit würde schließlich doch viel, viel mehr den Ausschlag zu geben haben als das Maß unsrer historischen Berühmtheit. Demungeachtet ist auch diese ein durchaus in Rechnung zu stellender Faktor, ganz besonders Flora gegenüber, die, im Gegensatz zu beiden Eltern, einen ausgesprochen romantischen Sinn hat und mir erst vorgestern wieder versicherte, daß ihr, als sie neulich in Potsdam die Grenadiermützen vom 1. Garderegiment gesehen hätte, die Tränen in die Augen gekommen seien. – Alles in allem, Leo, Du hast noch keine volle Vorstellung davon, um was und um wieviel Du wirbst und daß es, trotz meiner guten und, ich kann wohl sagen, intimsten Beziehungen, immer noch Mühen und Anstrengungen kosten wird, die Braut heimzuführen. Weise also nicht hochmütig das, was ich Dir noch vorzuschlagen haben werde, zurück, ein Leichtsinn, gegen den ich Dich durch Deinen guten Verstand und Deine schlechte Finanzlage gleichmäßig geschützt glaube.
... Aber da kommt eben Flora, um mich zum »shopping« (sie wählt gern englische Wendungen) abzuholen, und ich muß hier abbrechen, ohne mich über meinen Plan: eine Familiengeschichte der Poggenpuhls, höre und staune, durch
Dich
geschrieben zu sehen, näher ausgesprochen zu haben. Nur noch soviel: Wendelin muß das Beste dabei tun und hinterher natürlich Onkel Eberhard. Überleg's. Vor allem aber Mut und Schweigen. Flora weiß nichts, ahnt nichts. Wie immer
Deine Manon
Umgehend antwortete Leo.
Thorn, 19. Januar
Meine liebe Manon! Ich fühle mich wie beschämt durch Deine Liebe und Fürsorge. Ein vorzüglicher Plan, geradezu großartig. Aber, aber... Und ach, dies Aber läßt mich Dir in ziemlich schwermütiger Verfassung antworten. Wendelin, der es doch schließlich machen müßte, will nicht. Er findet es einfach ridikül. Und warum? Weil, seiner aufrichtigen Meinung nach, das Poggenpuhlsche nicht mit den Kreuzzügen, sondern einfach mit Wendelin von Poggenpuhl anfängt. Was seit hundert Jahren unter dem »Hochkircher« und dem »Sohrschen« geschah, war Alltagsarbeit; in Front stehen und Hurra schreien bedeutet ihm nicht viel, er ist für strategische Gedanken. Jedenfalls denkt er mehr an sich als an die Familie. Er hilft mir zwar regelmäßig und ist in vielen Stücken eine glänzende Nummer, aber es muß immer was sein, was ihm zugleich in aller Augen zu Vorteil und Ehre gereicht; wenn es ihm so vorkommt, daß er persönlich damit bei hohen Vorgesetzten
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