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Die Poggenpuhls

Die Poggenpuhls

Titel: Die Poggenpuhls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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glücklicherweise couvertiert, kam zugleich mit einem Briefe von Sophie. Da sah man so recht den Unterschied. Sophie immer, ich möchte sagen, Palette in Hand, immer künstlerisch, immer gefühlvoll und immer dankbar. Namentlich dies letztere läßt sich Dir nicht vorwerfen. Dein älterer Bruder (und der bessere dazu) macht Dir den Hof, und Du bespöttelst ihn. Ei, ei; poggenpuhlsch ist das jedenfalls nicht. Die Poggenpuhls sind pietätvoll. Ich glaube, Dein Hang zu kleinen Spöttereien und Überheblichkeiten fliegt Dir so an, ist Umgangseinfluß oder, was dasselbe sagen Will, eine Folge des Tons, dem Du im Hause der pompösen Esther oder der »Pomposissima«, wie Du schreibst, begegnest. Ich kenne diesen Ton auch von Bartensteins her, wiewohl diese selbst nicht daran teilnehmen und verlegen werden, wenn er überhaupt angeschlagen wird. Daß dies geschieht, können aber freilich selbst Bartensteins nicht verhüten, denn sie haben, bei der eigentümlichen Zusammensetzung ihrer Gesellschaft, das Spiel nie ganz in der Hand. Um nur eins zu nennen, die Verwandtschaft, die sich allsonntäglich bei ihnen versammelt, ist immer wie aus zwei Welten: der eine Onkel war vielleicht dreißig Jahre lang in London oder Paris, der andre dreißig Jahre lang in Schrimm. Und das macht denn doch einen Unterschied. Ich sprach von Umgangseinfluß. Er ist da; seine Macht verspür ich an mir selbst, und wenn ich Therese ansehe, so bestätigt sich mir dieser Einfluß, von der andern Seite her, wie eine Probe aufs Exempel. Therese, wenn auch manches an ihr anders sein könnte, weiß doch jederzeit, was sich schickt, und das verdankt sie der Wilhelmstraßenluft, in der sie nun mal lebt. Ich weiß nicht, in welcher Straße Esther wohnt (vielleicht
auch
in einer Wilhelmstraße), nur
das
weiß ich, daß es in der unsrigen keine Pomposissimas gibt. Ich muß mich hier unterbrechen. Eben hat es geklingelt, und aus dem Korridorgespräch, das Friederike führt, hab ich gehört, daß Flora gekommen und bei der Mama eingetreten ist. Sie wird mich einladen wollen. Über das vorstehende Thema nächstens mehr. Deine ganze Zukunft, soviel wird mir immer klarer, dreht sich um die Frage: Esther oder Flora. Flora, Gott sei Dank, ist blond, sogar hellrotblond. Lebe wohl. In alter Liebe
    Deine Manon
     
    Berlin, 15. Januar
     
    Lieber Leo! Du hast meinen zweiten Brief, der den ersten vervollständigen sollte, gar nicht abgewartet und mir umgehend geantwortet. Das ist sehr liebenswürdig, aber leider auch ängstlich, und wenn schon die bloße Raschheit der Erwiderung etwas Mich-besorgt-Machendes hatte, so mehr noch die einzelnen Wendungen Deines Briefs. Ich will doch nicht fürchten, daß die Einladung zum 8. abends, von der Du auf Deiner Karte schriebst, verhängnisvoll für Dich geworden ist. Ich weiß, daß dunkler Teint Dir immer gefährlich war. Und Esther! Es ist merkwürdig, daß manchem Namen etwas wie eine mystische Macht innewohnt, eine Art geistiges Fluidum, das in rätselhafter Weise weiterwirkt. Raffe Dich auf, sei stärker, als Ahasverus war (ich meine den Perserkönig), der auch der Macht der Esther erlag. Eben habe ich Deine Zeilen noch einmal überflogen und wieder den Eindruck davon gehabt, als hättest Du Dich bereits engagiert. Ist dem so, so weiß ich sehr wohl, daß die Welt darüber nicht zugrunde gehen wird, aber mit Deiner Karriere ist es dann vorbei. Denn in der Provinz, und speziell in
Deiner
Provinz, ist das religiöse Gefühl – oder, wie sie bei Bartensteins immer sagen, das »Konfessionelle« (sie wählen gern solche sonderbar verschränkten Ausdrücke) – von viel eigensinnigerem Charakter, und der Übertritt wird von den Eltern einfach verweigert werden. In diesem Falle bliebe Dir also nur Standesamt, ein, so aufgeklärt ich bin, mir geradezu schrecklicher Gedanke. Solch ein Schritt würde Dich nicht nur von der Armee, sondern, was mehr sagen will, auch von der »Gesellschaft« ausschließen, und Du würdest von da ab in der Welt umherirren müssen, fremd, abgewiesen, ruhelos. Und da hätten wir dann den
andern
Ahasverus. Tu uns das nicht an. Therese würd es nicht überleben.
    Deine Manon
     
    Berlin, 18. Januar
     
    Mein lieber Leo! Gott sei Dank. Nun kann noch alles gut werden. Du glaubst nicht, wie erlöst ich mich fühle, daß dieses Wetter an uns allen und nicht zum wenigsten an Dir selber vorübergegangen ist. Du lachst mich aus über meine Besorgnisse, neckst mich und stellst die Frage, was denn, wenn's nun wirklich sich

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