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Die Poggenpuhls

Die Poggenpuhls

Titel: Die Poggenpuhls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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anstoßen oder wohl gar in einem fragwürdigen Lichte dastehen könnte, so ist es mit allem Familiengefühl und aller Bereitwilligkeit rasch vorbei. Er heißt Poggenpuhl, aber er ist keiner, oder doch ganz auf seine Weise, die von der unsrigen sehr abweicht. Darüber aber kein Wort zu Mama; die ist imstande und schreibt es ihm, und dann bin ich an den Pranger gestellt. Ich bin ohnehin schon immer verlegen, wenn er bei mir in die Stube tritt. Er hat so 'n verdammt superiores Lächeln, und ich muß mich ducken. Überhaupt – und das ist das Fatale der ganzen Karriere –, man muß sich immer ducken. Aber statt dieser Confessions lieber zurück zur Hauptsache, zu der zu schreibenden Ruhmesbroschüre. Wendelin, wie gesagt, will nicht, und ich selber kann nicht, kann nicht und wenn sich's darum handelte, die Königin von Madagaskar als Braut heimzuführen. Ach, Manon! ... »über Madagaskar fern im Osten seh ich Frühlicht glänzen« – ja, dahin muß ich, damit endet's, damit muß es enden! Denn ich werde Flora nie »mein nennen« (so drücken sich manche aus), wenn die Familiengeschichte durchaus geschrieben werden muß. Und daneben, und das ist das Schlimmste, weil zugleich das Beschämendste, daneben hab ich die Leidenschaft Esthers für mich stark überschätzt. Oder vielleicht auch, daß mir über Nacht ein Rival, ein bevorzugter Mitbewerber erstanden. In diesem Falle würde ich Esther hassen müssen. Und um mit nichts zurückzuhalten, ach, Manon, auch von dem Quitzowabend, der sich so glänzend anließ oder wenigstens so glänzend abschloß, ist seit einer Woche so gut wie nichts mehr da. Trauriges Dasein und draußen Tauwetter. Ich könnte den Hamletmonolog deklamieren, aber ich wähle das Kürzere: »Nymphe, bete für mich.« Es wird wohl falsch zitiert sein; die meisten Zitate sind falsch.
    Dein Leo
     
Zwölftes Kapitel
     
    Diese Korrespondenz zwischen den zwei jüngeren Geschwistern setzte sich bis in den Februar hinein fort, wenig zur Freude Theresens, die gelegentlich einen von Leos Briefen las und es jedesmal beklagte, daß sich »das Poggenpuhlsche so weit verirren könne«, wobei sie übrigens der Schwester die Hauptschuld zumaß. »Meiner Meinung nach«, so hieß es regelmäßig, wenn dies Thema zur Sprache kam, »ist der ganze Briefwechsel überhaupt überflüssig; wenn er aber stattfinden soll, so möcht ich wohl, daß er einen andern Inhalt hätte. Du wirst ihn noch ganz zu dir hinüberziehen, in jene gesellschaftliche Sphäre, darin du dich leider wohl und immer wohler fühlst. Du willst nicht einsehen, daß
die
Welt, die du leichtfertig und hochmütig, und bloß um dich zu mokieren, als die ›christlich-germanische‹ bezeichnest, daß diese Welt mehr bedeutet als ein halbes Dutzend Gersons – denn so viele werden es doch wohl nachgerade sein. Es kommt auf das innerliche Leben an, nicht auf das äußerliche: die Äpfel mit der schönen Schale sind meist wurmstichig.«
    »Und die grauen Reinetten überdauern den ganzen Winter.«
    Therese zuckte die Achseln und brach ab, nahm auch nicht Veranlassung, darauf zurückzukommen, und zwar um so weniger, als sich das, was ihr die Mama in dieser Streitsache begütigend gesagt hatte, sehr bald erfüllen sollte. »Laß doch die beiden«, so etwa waren die Worte der Majorin bei jener Gelegenheit gewesen, »du solltest doch Leo kennen und wissen, wie wenig das alles auf sich hat. Heute will er das und morgen das. Ehe drei Wochen um sind, hört die Schreiberei zwischen ihnen von selbst auf.« Und so kam es auch. Leo schloß sich, noch ehe der Januar zu Ende ging, einem katholischen Geistlichen an, der Dogmenstrenge mit Skat und Fidelität glücklich zu vereinigen wußte, welche neue Bekanntschaft denn auch sofort verhängnisvoll für die weitere Erörterung der Esther- und Flora-Frage wurde. Sie starb sehr bald ab.
    Ja, die Korrespondenz nach Thorn hin erlosch rasch, aber die zwischen Sophie und Manon setzte sich fort, und keine Woche verging, ohne daß ein Brief aus Adamsdorf eingetroffen wäre, meistens gleichzeitig mit einer sorglich gepackten Kiste, deren Eintreffen Friederike, wenn sie sie öffnete, jedesmal mit derselben Rede begleitete: »Wieder frische Eier und alle eingewickelt und in Häcksel. Ja, das laß ich mir gefallen, gnäd'ge Frau. Denn erstens kriegt man keine frischen, wenn es auch draufsteht, und zweitens sind Eier doch immer besser, als was eben erst geschlachtet is. Ente geht noch, weil Ente fett ist; aber schon bei Hühnern fängt es

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